In der Berateraffäre um das Verteidigungsministerium sowie die Unternehmensberatungen McKinsey und Accenture verschärft sich der Verdacht, dass durch millionenschwere Beraterverträge Vetternwirtschaft und somit Rechtsbruch stattgefunden hat. Die aktuelle Verteidigungsministerin von der Leyen steht damit unter Druck und die Bundesregierung rückt sich über ihre Position zum Untersuchungsausschuss zunehmend in ein schlechtes Licht. Dabei erodiert jedoch – in Teilen zurecht – das Image von Beratungsunternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung.
Fehlverhalten und Schäden dieser Größenordnung zeigen also allgemein, wie wichtig ethische Prinzipien in Berater- sowie Projektmanagementunternehmen sind, und wieso es sie gibt. Unser Blogbeitrag greift diese Thematik auf und beschreibt, welche ethischen Richtlinien es im Projektmanagement gibt und welche Auswirkungen intransparentes Verhalten auf die gesamte Beratungsbranche haben kann.
Warum gibt es Kodizes und Richtlinien zu Ethik im Projektmanagement?
Das Bild der Beraterbranche in der Öffentlichkeit gerät mehr und mehr ins Wanken. Erst im Januar titelte der Spiegel „Die fünfte Gewalt“ in Bezug auf die Berateraffäre um das Verteidigungsministerium. Die intransparenten Verwicklungen zwischen Ministerien und Beraterfirmen erscheinen bedrohlich oder sogar demokratiegefährdend. Zudem ist dieser Fall nicht der erste seiner Art. Beraterunternehmen bringen sich immer wieder in die Konfliktlinien, wenn sie für fragwürdige Geschäfte oder Auftraggeber zur Verfügung stehen. Richtlinien zu ethischem Handeln können dabei helfen, dieses Spiel mit dem Feuer zu vermeiden und Verantwortung zu übernehmen, bevor Schaden angerichtet wird.
In einem Blogbeitrag vom 19. Oktober 2018 haben wir beschrieben, zu welchen ethischen Richtlinien wir und viele andere Beratungsunternehmen stehen. Neben den Richtlinien der GPM zählt auch der Code of Ethics des PMI zu diesen Leitlinien ethischer Verantwortung. Jede Zertifizierung wird durch eine Verpflichtung zu diesem Kodex begleitet. Dieser zeigt über die Kapitel Vision und Anwendbarkeit, Verantwortlichkeit, Respekt, Fairness und Ehrlichkeit, die Kernbereiche ethischen Handelns auf und klärt, wie sich diese Punkte für Projektmanagement übersetzen. Er zeigt, was die verschiedenen Begriffe konkret bedeuten und welche Handlungsweisen und -gebote sich dadurch ableiten. Jenseits der Festsetzung eigener Prinzipien in der Theorie ergeben sich in der Praxis jedoch Situationen, die stabile ethische Überzeugungen erfordern.
In einem zusätzlichen Rahmendokument zum Code wird außerdem aufgezeigt, wie sich Projektmanager in einem Dilemma verhalten können. Diese Art praktischer Ratgeber erleichtern es, die Tragweite von ethisch fragwürdigen Situationen in der Praxis zu erkennen und sie zu meistern.
Die Gefahren für Ethische Verantwortung
Mit der Festlegung von Richtlinien beginnt ethisches Handeln also erst und Herausforderung liegt vor allem darin, diese in der Praxis auch umzusetzen. Dabei müssen auch vermeintlich unschuldig oder selbstverständlich erscheinende Entscheidungen kritisch betrachtet werden. Denn einige allgemein akzeptierte oder sogar erwünschte Zielsetzungen bergen die Gefahr, in ethisch fragwürdige Situationen zu münden.
So sind beispielsweise Netzwerke und Bekanntschaften – das berühmte ‚Vitamin B‘ – zwar häufig Türöffner und Helfer für Problemlagen. Sie können jedoch kontextabhängig auch schnell der unternehmenseigenen oder persönlichen Ethik widersprechen. Dieser Punkt wird besonders deutlich im Fall der Berateraffäre. Wie der Spiegel (5/2019) berichtete, stehen beispielsweise die Tätigkeiten eines Beraters vermutlich mit persönlicher Bekanntschaft mit einem Bundeswehrgeneral in Verbindung. Millionenschwere Beratungstätigkeiten machen aus persönlichen Beziehungen jedoch schnell einen Fall von Vetternwirtschaft und können im Falle staatlicher Aufträge einen skandalösen Umgang mit Steuergeldern bedeuten.
Aus der wirtschaftlichen Perspektive stehen Unternehmen außerdem in Konkurrenz zu anderen. Damit ergibt sich auch der Kampf um Aufträge, welche viel Profit für das Unternehmen bringen können, jedoch eventuell ethisch fragwürdige Inhalte aufweisen. In einem Blogbeitrag vom September 2015 haben wir bereits mit Dr. Annette Kleinfeld über solche Fälle gesprochen. Sie empfiehlt von den üblichen – fast schon automatisch abrufbaren – Rechtfertigungsmustern Abstand zu nehmen. Stattdessen sollte ein kritischer Umgang an den Tag gelegen werden: „Argumente wie ‚das machen doch alle so‘ oder ‚wenn wir es nicht machen, machen es unsre Wettbewerber‘ sollten dabei ernsthaft diskutiert und mit in die Waagschale einer bewussten Entscheidungsfindung geworfen werden, anstatt nur stillschweigend als Grundlage verwendet und erst dann kritisch reflektiert zu werden, wenn das Ganze nicht gut ausgegangen ist.“
Wenn ethische Verantwortung in solchen Fällen dauerhaft zweitrangig bleibt, kann aus dem Unternehmensprofit schnell unverantwortliche Bereicherung werden. Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Konflikt zwischen Geheimhaltung und Transparenz. So können Berater oder Unternehmen Interesse daran haben, bestimmte Tätigkeiten nicht an die Öffentlichkeit zu tragen. Das kann entweder daran liegen, dass sie dazu nicht in diesem Maße befugt sind oder aber, dass die Tätigkeit ein schlechtes Bild auf das Unternehmen wirft. Handlungen, für die man in der Öffentlichkeit nicht bereit ist, vollends geradezustehen, sollten jedoch bereits früh die Alarmglocken schrillen lassen und als ethisch fragwürdig erkannt werden. Wie schädlich ein so gebautes Kartenhaus ist, zeigt sich am Beispiel eines internationalen Beratungsunternehmens. Dieses war unter anderem in Korruptionsskandale in Südafrika verwickelt und hat über intern angefertigte Berichte indirekt und anscheinend unbeabsichtigt dem saudischen Regime geholfen, sowohl eine Twitter-Troll-Armee zu organisieren, als auch Kritiker des Königshauses zu inhaftieren. Das Unternehmen hat zwar klargestellt, dass der dahinterliegende Bericht nicht von Saudi-Arabien beauftragt oder für eine solche Verwendung angefertigt wurde, diese Feststellung wirft jedoch neue ungeklärte Fragen und bietet Stoff für neue Spekulationen.
Vor allem Entwicklungen um Digitalisierung und IT-Ausbau sorgen dafür, dass Berater immer mehr Verantwortung tragen müssen. Schließlich sind viele Unternehmen und auch staatliche Stellen darauf angewiesen, Abläufe, Abteilungen oder gar ganze Behörden neu aufzusetzen und zu organisieren. Berater können also eine wichtige Rolle dabei spielen, um das hierfür notwendige Knowhow zu vermitteln. Dazu gehört aber auch, den in vielen Punkten unerfahrenen Auftraggebern mit Ehrlichkeit entgegenzukommen und unter Umständen ethische Grundsätze klarzustellen. Denn die Beispiele oben zeigen, wie ethisches Fehlverhalten vor allem in größeren Fällen gravierende Konsequenzen nach sich ziehen kann und dabei sogar das Wohl von Menschen gefährden kann. Was solche Fälle häufig eint, ist, dass die Verantwortung über Ethik auf andere geschoben wird, anstatt bei sich selbst anzusetzen und selbstbewusst ethisch verantwortliche Entscheidungen zu treffen. Der Schlüssel, nicht in Skandale verwickelt zu werden, liegt letzten Endes jedoch nicht darin, möglichst gut Geheimnisse zu hüten und Kartenhäuser aufzubauen, sondern in Transparenz. Ethisches Handeln birgt schließlich Chancen, welche die vermeintlichen Vorteile riskanter Handlungen übertreffen: Kein Skandal basiert darauf, dass jemand verantwortungsvoll mit ethischen Grundsätzen umgegangen ist.
Das Bild über Berater in der Öffentlichkeit wird nicht repariert werden, indem alles so fortgeführt wird, wie bisher. Nachhaltiges, mitmenschliches und verantwortungsvolles Handeln ist offensichtlich keine lästige Herausforderung, sondern kann den selbstbewussten Kern der eigenen Zielsetzungen bilden. Wenn am Ende Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit nicht nur gepredigt, sondern auch gelebt werden, ist ein positiveres Image über Beratungsleistungen nicht nur wahrscheinlich, sondern auch wohlverdient.
Autor: Simon Wastian