Automotive SPICE ® mit agilem und klassischem Projektmanagement – kein Problem! Aber was fehlt?

Agile Methoden, Projektmanagement, Systems Engineering und dann auch noch Automotive SPICE ® (ASPICE) – das kann doch nicht funktionieren. Im Gegenteil, sie sind zwingend erforderliche Puzzlestücke für eine erfolgreiche Entwicklung von Organisationen. In diesem Blog erläutern wir, warum die Zusammenhänge unterschiedlich eingesetzter Methodiken zunächst verwirren, aber immer holistisch zu betrachten sind. Erfahren Sie, warum es für eine sich transformierende Organisation zielführend ist, sich mit Automotive SPICE ® (ASPICE) auseinanderzusetzen und was das mit einer ganzheitlichen Betrachtung von Change Management zu tun hat.

Das Zusammenwirken dieser Puzzlestücke ist in unserem Schaubild (siehe Abb. 1) dargestellt.

Grafik zum Zusammenspiel von Automotive SPICE, klassischem Projektmanagement, agilen Methoden, Systems Engineering und Change Management

Abb. 1: ASPICE im Kontext von Projekt, Framework und der (lernender) Organisation (Eigene Darstellung)

Nachfolgend betrachten wir das Zusammenspiel der verschiedenen Methoden und Frameworks. Hierbei beginnen wir mit der eigentlichen Entwicklungsarbeit (Systems Engineering) und ziehen dann den Fokus immer größer, bis wir mit der sich transformierenden Organisation bei der holistischen Betrachtung angelangt sind.

Im Kern eines jeden Entwicklungsvorhabens steht das Systems Engineering. Es fokussiert sich auf die technische Entwicklung des Systems an sich, während das Projektmanagement seinen Schwerpunkt auf Kosten, Termine und Qualität legt und damit die Schnittstelle zwischen Projekt und Auftraggeber darstellt.

ASPICE verbindet Systems Engineering – im Sinne der Systementwicklung und technischem Projektmanagement (Engineering-Prozessgruppen, Unterstützungsprozesse) – mit dem kaufmännischen Projektmanagement (Managementprozessgruppe und Beschaffungsprozessgruppe).

Neben seiner Kernfunktion als Reifegradmodell für Entwicklungsprojekte enthält Automotive SPICE ® sogenannte Base Practices und Arbeitsergebnisse, die als Best Practices für Entwicklungsprojekte verstanden werden können. Sie sind immer empfehlenswert, unabhängig davon, ob ASPICE formal gefordert ist oder nicht. Die Ableitung daraus von eigenen Best Practices ist die Basis für die „lernende Organisation“.

Automotive SPICE ® kann und sollte sowohl für klassische als auch agile Methodiken Anwendung finden, denn Merkmale guter Projekte sind unabhängig von der gewählten Methodik. Genau hierin liegt oftmals das Missverständnis, ASPICE sei ein eigenständiges Framework, ebenbürtig mit klassischen oder agilen Projektmanagementmethoden, wie beispielsweise SAFe®. Automotive SPICE ® ist aber ein Reifegradmodell und daher per se kompatibel mit allen möglichen Methoden und Frameworks.

ASPICE stellt Anforderungen an die Prozessergebnisse und fordert Gütemerkmale für deren Erzeugung ein. Es gibt jedoch keinen konkreten Prozess dafür vor. Von daher können passende Methoden und Frameworks zur Umsetzung eingesetzt werden. In unserem Schaubild bezeichnen wir diese Flexibilität hinsichtlich der Methodik als Plug-In-Prinzip (siehe Abb. 1).

Egal auf welches Element des Schaubilds man blickt, in jedem verbirgt sich eine Variante des Deming-Kreises (Plan – Do – Check – Act (PDCA-Zyklus)). Im Kern beginnt dies beim Problemlösungszyklus des dargestellten Vorgehensmodells (V-Modell) und geht über das technische und kaufmännische Änderungsmanagement bis hin zum Change Management als Veränderungsbegleitung innerhalb der lernenden Organisation. Gemeinsam zahlen die PDCA-Zyklen aus dem Entwicklungsunterfangen darüber hinaus auf die Weiterentwicklung der Organisation ein.

Auch Automotive SPICE ® berücksichtigt die verschiedenen Aspekte und Flughöhen von (Ver-) Änderungsmanagement:

  • Technisches Change Management: SUP.10 Change Management
  • Scope Change Management: MAN.3 Projektmanagement im Speziellen und über die Reifegradeanforderungen, insbesondere ab Level 3 mit Anforderungen an die Organisation
  • Lernende Organisation: PIM.3 Process Improvement Process Group, REU.2 Reuse Program Management

Damit haben wir über ASPICE den Brückenschlag vom Änderungsmanagement eines Projektes bis zur höchsten Flugebene, der lernenden/transformierenden Organisation, geschlagen. Änderungen von Projekten und Menschen führen zur Transformation einer Organisation und andersherum.

Eine Organisation, welche Transformation nicht nur als temporäre Erscheinung behandelt, sondern als permanent begreift, kann Veränderungen von innen als auch von außen strukturiert und robust meistern.

Fazit

Automotive SPICE ® ist ein wichtiger Baustein, da es den Reifegrad der Projektorganisation evaluiert, unabhängig der verwendeten Methoden und Frameworks.

Was alle im Schaubild dargestellten Methoden und Frameworks mit ASPICE verbindet, ist die fehlende Fokussierung auf Change Management als Veränderungsbegleitung einer lernenden Organisation.

Aus unserer Erfahrung ist die Anwendung eines ganzheitlichen Change Managements wie das Tiba-Holistic Change Management® über alle im Schaubild dargestellten Zusammenhänge notwendig, um die Operationalisierung der Frameworks und Methoden wirksam werden zu lassen.

Autoren

Dr. Nils Scharnhorst (Beratungsleiter Automotive)

Dr. Nils Scharnhorst ist studierter Physiker und hat sich nach einer Zeit als Post-Doc entschlossen seine analytische Denkweise zunächst als Koordinator für Methoden und Prozesse bei einem Ingenieursdienstleister und seit 2021 als Berater und Beratungsleiter bei der Tiba Managementberatung GmbH einzusetzen. Sein Know-how hilft ihm in entwicklungsnahen Projekten, die Kundenherausforderungen zu lösen. Zusätzlich hat er sich eine Expertise in ASPICE und agiler Entwicklung aufgebaut.

Christian Mengel (Principal Agile Consultant)

Christian ist Experte für agile Skalierung nach SAFe® und zertifiziert als SAFe® 6 SPC und PMI® Authorized Training Partner Instructor (PMP®) in der Tiba Managementberatung GmbH. Mit dem Branchenschwerpunkt auf Automotive und seiner langjährigen Erfahrung innerhalb von Hard- und Software-Entwicklung begeistert er seine Kunden immer wieder mit seiner ganzheitlichen systemischen Betrachtung und pragmatischen Lösungsansätzen.

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