Generation Y und Projektmanagement – Mitarbeiterbindung als unrealistisches Ziel?

Die Millennials – Eine Generation, die gerade aus Arbeitgebersicht oftmals Vorurteilen ausgesetzt ist: Sprunghaftigkeit, Illoyalität und selbstzentriertes Handeln mit einem enorm hohen Anspruchsgedanken sind nur einige Eigenschaften, die ihr nachgesagt werden. Seit Jahren strömen sie auf den Arbeitsmarkt und haben mit ihrem Mindset bereits maßgebliche Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt evoziert. Doch wie tickt die Generation Y wirklich? Welche Erfahrungen und Einflüsse prägen diese Altersgruppe? Was müssen Unternehmen tun, um die Millennials an ihre Unternehmen zu binden? Als Unternehmensberatung mit einer Vielzahl an jungen Beratern ist es für uns von besonderer Bedeutung, diesen Fragen auf den Grund zu gehen und zu eruieren, wie sich der Projektkosmos durch den Einzug dieser Generation in die Welt des Projektmanagements verändert hat und auch weiterhin wandeln wird.

Wie tickt die Generation Y wirklich?

Die Generation der zwischen 1980 und 1995 Geborenen hat mittlerweile viele Namen zugesprochen bekommen. Es ist eine Generation ‚Why‘, die alles in Frage stellt und gesetzte Normen nicht mehr akzeptieren möchte. Sie sind Digital Natives, die mit der Schnelllebigkeit der Technologien aufgewachsen sind, und sind auch als Millennials bekannt, für die um die Jahrtausendwende der Ernst des Lebens begann.

Um die Beweggründe und Denkweise dieser Generation zu verstehen, ist es sehr wichtig, sich die prägendsten Einflussfaktoren dieser Altersgruppe vor Augen zu führen.

Andreas Dahlmanns (2014, S. 18) nennt – neben historischen Ereignissen wie die Terroranschläge auf das World Trade Center oder die Einführung des EURO – drei maßgebliche Einflussfaktoren auf die Millennials: Die fortschreitende Globalisierung, der technologische Fortschritt und der gesellschaftliche Wandel.

Die Globalisierung fördert eine enorme internationale Verflechtung der Wirtschaft und Länder. Damit steigt die Auslandsmobilität, was wiederum jungen Menschen ermöglicht, in anderen Ländern zu leben, zu studieren oder zu arbeiten. Gerade in der Projektmanagement-Branche zeigt sich dies deutlich: Internationale Projektteams gehören mittlerweile zum Standard – gerade in großen Konzernen.

Auch der technologische Fortschritt hat seine Spuren in der Unternehmenswelt hinterlassen. Die gestiegene Bedeutung sozialer Netzwerke und digitaler Technologien bei jungen Leuten brachte Unternehmen dazu, ihre Werbung und Außendarstellung neu aufzurollen. Der digitale Fortschritt beeinflusst das Recruiting und Bewerbermarketing essenziell.

Welche weiteren entscheidenden Einflüsse die Generation Y auf den Arbeitsmarkt hat, beschreibt Dr. Steffi Burkhart, Autorin und Beraterin zum Thema Generationenmanagement, wie folgt: „Im Gegensatz zu unseren Eltern haben wir keine klassische Drei-Phasen-Biografie, sondern Multigrafien. Wir wechseln zwischen Vollzeitfestanstellung, Selbständigkeit, Teilzeitanstellung, Sabbaticals, Auslandsaufenthalten und Branchen. Das World Economic Forum geht davon aus, dass wir rund 6-8 Mal den Job wechseln.“

Diese Multigrafien  können erst durch eine hohe Individualismus-Fokussierung verwirklicht werden. Denn nur die Bandbreite vielfältiger Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der eigenen Lebensplanung erlaubt es den Millennials, frei zu entscheiden, welchen Weg sie gehen möchten. Aus diesem Grund nennt Dahlmanns (2014, S. 32f) den gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahre als besonders eindrucksvollen Einflussfaktor auf die Generation Y. Die Ypsiloner wuchsen in Zeiten von Rollenveränderung und Familienumstrukturierung auf: Dass Frauen mittlerweile Führungspositionen innehaben und sich selbstverständlich für Job und Karriere entscheiden, galt für frühere Generationen noch als besonders oder gar feministisch. Auch der verminderte Einfluss religiöser Normen, der Bedeutungsverlust der Institution Ehe und ein Drang hin zum Individualismus und zur Selbstverwirklichung spielen eine wesentliche Rolle bei der Charakterausbildung der Generation Y.

Wie steht es um die emotionale Bindung der Generation Y an Unternehmen?

Fest steht: Durch ihre Denkweise stellen Millennials die Firmen vor Herausforderungen. Erst wenn sich die Unternehmen mit dieser Generation auseinandersetzen und ihnen nicht ihre eigenen Denkvorstellungen überstülpen, kann diese Herausforderung in fruchtbare Zusammenarbeit übergehen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sich die jungen Arbeitnehmer mit dem Betrieb identifizieren können und dort auch längerfristig bleiben wollen.

Doch warum ist Mitarbeiterbindung für Unternehmen überhaupt relevant? Emotional gebundene Mitarbeiter sind für Firmen in Zeiten des Fachkräftemangels und ‚War for Talents‘ ein entscheidendes Kriterium für den wirtschaftlichen Erfolg. Denn emotional gebundene Arbeitnehmer agieren als beste Werbeplattform, die sich ein Unternehmen wünschen kann. Das Verinnerlichen und Kommunizieren der eigenen Arbeitgebermarke macht aus einem Mitarbeiter einen wertvollen Markenbotschafter, der nicht nur die Produkte/Dienstleistungen der Firma nach außen trägt, sondern die Attraktivität des Unternehmens als großartigen Arbeitgeber weitervermittelt.

Und doch sieht es schlecht aus um die Mitarbeiterbindung der Arbeitnehmer in Deutschland. Das forschungsbasierte Beratungsunternehmen Gallup, welches seit 2001 jährlich den Engagement-Index für Deutschland erhebt, weist auf bedenkliche Zahlen hin. Die neueste Pressemitteilung von Gallup vom 29.08.2018 meldet, dass nur 15% der Beschäftigten eine hohe emotionale Bindung zum Unternehmen aufweisen und dass mehr als fünf Millionen Arbeitnehmer bereits innerlich die Kündigung vollzogen haben.

Eine Studie aus dem Jahr 2018 belegt zudem, dass die emotionale Bindung der Mitarbeiter mit steigendem Alter zunimmt: „Dieser Befund ist für Unternehmen fundamental, da tendenziell gut qualifizierte Fachkräfte der Generation X und der Generation Y Verantwortung für ihre eigene Karriere übernehmen und bereit sind, die notwendigen Schritte zu setzen, was zu einem asymmetrischen Verlust von jüngeren Talenten im Verhältnis zur restlichen Belegschaft führen könnte.“ (Angeli, 2018, S. 356)

Natürlich stellt sich hier die Frage, was die Ursache hierfür ist: Investieren Unternehmen zu wenig oder falsch in die junge Generation oder ist Mitarbeiterbindung in der Generation Y de facto nicht möglich?

Was müssen Firmen tun, um die Generation Y an ihr Unternehmen zu binden?

In der oben genannten Studie wurden diverse Korrelationen zwischen Mitarbeiterbindung und anderen Konstrukten identifiziert. Die signifikanteste Korrelation ermittelte Angeli zwischen dem Faktor Karriereplanung und Wissen sowie dem Konstrukt Mitarbeiterbindung. Die Wissenschaftler leiten hieraus die Erkenntnis ab, „dass durch die aktive Schaffung von Karrieremöglichkeiten die Loyalität gesteigert werden kann.“ (ebd., 2018, S. 357)

Auch Klaus Hurrelmann, ein deutschlandweit bekannter Soziologe und Jugendforscher, beschreibt die Generation Y als besonders anspruchsvoll, wenn es um Bildung und Karriere geht. Er sieht im Bildungsbereich bereits maßgebliche Veränderungen durch die Einflüsse der Millennials und erklärt dies aufgrund ihrer elterlichen Sozialisation: „70 Prozent der Eltern wünschen sich, dass ihr Kind Abitur macht. Diesen Anspruch haben ihre Kinder übernommen und investieren viel in ihre Bildung, vor allem Mädchen und junge Frauen sind überdurchschnittlich gut gebildet. (…) Sie ordnen sich nicht dem System unter, sondern zwingen es, sich ihnen anzupassen. Sie hinterfragen, was ihnen geboten wird, fordern Innovation im Lehrbetrieb und das mit dem Ziel, gut abzuschneiden. Dahinter steckt natürlich ein Kosten-Nutzen-Denken: Wie viel und was muss ich tun, um ein bestimmtes Zertifikat zu erreichen, was muss passieren, um eine gute Note zu bekommen.“ (Heidenfelder, 2014)

Monetäre oder materielle Anreize sind für die Generation Y kein vordergründiges Kriterium mehr für die Wahl eines Jobs. Vielmehr relevant für sie sind die Vereinbarkeit von Weiterbildung, Selbstverwirklichung und Beruf. „Für 60 Prozent der Erwerbstätigen zwischen 25 und 35 Jahren sind Weiterbildungsangebote das ausschlaggebende Kriterium bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber, wie eine Studie der Deutschen Universität für Weiterbildung (DUW) zur Mitarbeitermotivation ergab.“ (bildungsspiegel.de, 2012)

Mitarbeiterbindung im Projektmanagement

Gerade in projektorientierten Unternehmen, die aufgrund von internen Konflikten, Zeitdruck, Ressourcenknappheit und Kommunikationsproblemen mit hohen Fluktuationsraten zu kämpfen haben, ist Mitarbeiterbindung besonders wichtig.

Also wie können die bisher aufgelisteten Erkenntnisse für Unternehmen mit Projektfokus angewandt werden? Wie bereits angemerkt, geht es der Generation Y kaum um monetäre Anreize. Viel wichtiger sind die persönliche Weiterentwicklung und berufliche Verwirklichung. Jungen Mitarbeitern Wissen und Methodenkenntnisse an die Hand zu geben und ihnen Verantwortung zu übertragen, sind der Schlüssel. Firmen, die der jungen Generation Vertrauen schenken, bekommen ein hohes Maß an Mitarbeiterloyalität zurück.

Gerade im Projektbereich gibt es viele Möglichkeiten, in die Weiterbildung und Karriere der Millennials zu investieren. Denn für Berufseinsteiger können Zertifizierungen einen wertvollen Zugang zur Welt des Projektmanagements bedeuten, vor allem solange wenige bis keine Methodenkenntnisse vorhanden sind. Durch eine Kombination aus PM-Zertifizierungen und Praxiserfahrung kann die eigene Karriere sprungbrettartig angekurbelt werden.

Die Bandbreite verschiedener Projektmanagement-Zertifizierungsmöglichkeiten, die es aktuell am Markt gibt, lässt Personaler aktiv auf die Weiterbildungswünsche der jungen Mitarbeiter eingehen. Egal, ob sie eine Karriere im klassischen oder agilen Projektmanagement anstreben,  machen die diversen Zertifizierungen die Methodenkompetenz des Berufseinsteiger sichtbar und nachvollziehbar und geben den Millennials damit das nötige Know-how für den beruflichen Aufstieg an die Hand. Neben den PM-Standardzertifikaten nach IPMA oder PRINCE2® beispielsweise steht auch die Ausbildung zum Scrum Master oder Scrum Product Owner zur Wahl, um den Karriereweg im (agilen) Projektmanagement zu ebnen.

Letztendlich muss jedes Unternehmen selbst entscheiden, welche Maßnahmen es ergreifen will, um die Generation Y an den Betrieb zu binden. Was allerdings außer Frage steht, ist, dass diese Generation enorme Potenziale birgt, die es zu nutzen gilt. Sorgt eine Firma für entsprechende Rahmenbedingungen, die die Millennials überzeugen, beeinflusst sie damit ihre eigenen Projekterfolge, so Ulf Tegtmeyer, Leiter Informationstechnologie bei Hueck Service in Lüdenscheid. Am Ende wirkt sich das auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens aus. Und die emotionale Bindung der jungen Arbeitnehmer ist hierbei ein unerlässlicher Faktor.

 

Literaturverzeichnis

Angeli, M. (2018). Generationen-Management und Mitarbeiterbindung: Effekte und Maßnahmen. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 49(4), 347–359.

Bildungsspiegel. (2012). Die Generation Y fährt auf Weiterbildung ab. Abgerufen von https://www.bildungsspiegel.de/news/weiterbildung-bildungspolitik/260-die-generation-y-faehrt-auf-weiterbildung-ab.

Dahlmanns, A. (2014). Generation Y und Personalmanagement (1. Auflage). München Mering: Rainer Hampp Verlag.

Heidenfelder, E. (2014, September 15). „Sie sind angepasst, aber das ist ihr Vorteil“. Frankfurter Allgemeine. Abgerufen von https://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/beruf/2.3113/interview-mit-jugendforscher-zur-gen-y-13148663.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0.

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