Mit Mut und Projektmanagement-Know-how voran!

Projektmanagement-Know-how ist essentiell für die erfolgreiche Umsetzung von Großprojekten. Warum gelingen aber gerade Großprojekte oftmals nicht? Reinhard Wagner greift in diesem Blogartikel aktuelle Projekt-Herausforderungen auf und erklärt, wie Projekte wirklich umgesetzt werden sollten.

Warum gelingen Großprojekte trotz Projektmanagement-Know-how nicht?

Die Überschrift „nix funktioniert“ des Leitartikels von Stefan Aust und Helmar Büchel in der Ausgabe der Welt am Sonntag vom 01. September 2019 hat mich zu dieser Replik inspiriert. Denn einerseits ist hierzulande nicht alles so schlecht, wie es leider allzu häufig dargestellt wird, andererseits gibt es Lösungsansätze, die bei der öffentlichen Hand noch viel zu wenig Beachtung finden.

Endlose Baustellen, brüchige Brücken, verspätete Züge, langsames Internet, marode Schulen, die vermurkste Energiewende und zahlreiche Pannen der Regierungsflieger werden von den Autoren moniert. Sie behaupten, dass vieles in Deutschland nicht mehr so läuft, wie es sollte. Wohlklingende Pläne werden schlecht oder gar nicht umgesetzt. Realität und Wunschdenken driften immer weiter auseinander. Sicherlich haben die Autoren mit vielen ihrer Beobachtungen recht, die Ursachen sind vielschichtig, teils politisch, wirtschaftlich, technologisch, gesellschaftlich oder auch organisatorisch begründet. Gleichzeitig bieten die Autoren jedoch keine Lösungen an und vergrößern das Problem damit noch weiter. Denn wer ständig in der Presse lesen muss, dass es Probleme mit diesem oder jenen Vorhaben gibt, der wird zunehmend vorsichtiger und sichert sich nach allen Seiten ab. Deshalb verzichtet man bei allzu viel „Aufmerksamkeit“ in der Presse eher auf ein Projekt, als es mutig voranzutreiben. So wird beispielsweise der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Projekt „Stuttgart 21“ mehr Aufmerksamkeit  gewidmet als dem Projekt selbst.

Richtig ist, dass viele Projekte heutzutage Gefahr laufen, an ihrer Komplexität, dynamischen Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie Unwägbarkeiten des Umfeldes zu scheitern, oder zumindest ein mehr an Kosten, Zeit oder Aufwand zu verursachen. Das ist aber nur logisch und lässt sich in vielen anderen Ländern ebenfalls beobachten. Eine Reformkommission der Bundesregierung zum Bau von Großprojekten hat sich vor einigen Jahren der Problematik angenommen und im Aktionsplan eine Reihe von sinnvollen Empfehlungen ausgesprochen. Diese gehen zwar in vielen Punkten in die richtige Richtung, viele Herausforderungen bleiben allerdings unbeantwortet.

Welches Projektmanagement-Know-how braucht es wirklich?

Die Lösung liegt dabei in der konsequenten Anwendung des in der Industrie oder in anderen Ländern vorhandenen Know-hows im Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement. Wenn die Reformkommission zum Beispiel eine noch konsequentere Planung und Steuerung der Projekte anmahnt, dann bezieht sie sich auf Planungs- und Steuerungsverfahren, die vor etlichen Jahrzehnten entwickelt wurden und heute in vielen Bereichen überholt sind. Sequentielle Bearbeitung von Projekten, langfristige Planung und Ausschreibung von Gewerken über mehrere Jahre hinweg verkennt die Realität, bei der es häufig zu kurzfristigen Änderungen in Projekten kommt. Iterative oder agile Verfahren werden aber nur selten angewandt, häufig mit dem Argument, das tauge nur für Software-Projekte.

Viele der komplexen Vorhaben (Energiewende, Flughafen BER etc.) sollten auch nicht als Projekt, sondern eher als Programme, heißt als Bündel mehrerer Projekte realisiert werden. Dabei werden viele Projekte mit ihren komplexen Abhängigkeiten geplant und gesteuert. Bei einem Programm von Projekten stehen auch eher langfristige, strategische Ziele im Fokus, und nicht kurzfristig zu realisierende Liefergegenstände. Bei den langfristigen Zielen stehen Nachhaltigkeit, Zufriedenheit der vielen Stakeholder und andere strategische Größen im Mittelpunkt und werden durch Projektauftraggeber verantwortet. So lange diese sich nicht einig sind, was sie langfristig wollen, wird jedes noch so gut geplante Projekt scheitern.

Mit Hilfe von Projektportfoliomanagement sollen die langfristigen, strategischen Ziele in entsprechende Ziele für Projekte und Programme übersetzt werden. Knappe Ressourcen (u.a. Geld, Material, Know-how) werden entsprechend vorab definierter Prioritäten zugewiesen und die Projekte und Programme über der Zeit hinweg realisiert. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 ist ein gutes Beispiel für das dynamische Zusammenspiel von Projekten, Programmen und Portfolio im Gesamtvolumen von mehr als 250 Mrd. Euro. Dass es gerade jetzt zu einer Häufung der Baustellen kommt, liegt an einem Investitionsstau der letzten Jahre. Hätte man von Anfang an Transparenz über alle Vorhaben und deren Bedarfe gehabt, wäre klar geworden, dass regelmäßige Bautätigkeit die Lage entspannt und schlechte Stimmung in der Bevölkerung vermeidet. Das gleiche trifft auf die Energiewende zu. Hier gibt es leider kein erkennbares Programm- oder Portfoliomanagement auf Ebene des Bundes. Viele Projekte laufen unabhängig voneinander und zumindest unabgestimmt. Ob dabei was herauskommt ist eher fraglich.

Unser Appell geht also dahin, das Know-how für das Management der viele Projekte, Programme und Portfolios auf Ebene des Bundes, der Länder, Landkreise und Kommunen sowie in der Privatwirtschaft zu stärken und Beispiele für gutes Management mehr hervorzuheben. Dass es diese Beispiele gibt, zeigen die Awards der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. oder die Best-Practice-Vorträge auf den PM-Tagen der Tiba Managementberatung eindrücklich auf.

 

Autor:

Reinhard Wagner; Geschäftsführer der Tiba Managementberatung GmbH

Reinhard Wagner studierte Elektrotechnik sowie Betriebswirtschaft in Deutschland und den USA. Auf Basis von mehr als 30 Jahren Führungs- und Projekterfahrung unterstützt er Projektmanager, -teams sowie projektorientierte Organisationen als Berater, Trainer und Coach. Bei der Tiba Managementberatung GmbH ist er seit Juli 2017 Geschäftsführer. Darüber hinaus engagiert er sich seit vielen Jahren bei der Entwicklung nationaler wie internationaler Standards und veröffentlicht zahlreiche Bücher, Artikel sowie Blog-Beiträge zum Projektmanagement. Reinhard Wagner ist Präsident der IPMA International Project Management Association und Ehrenvorsitzender der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V.

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