Shaping the Future – Wie sieht die Projektarbeit von morgen aus? (Adventreihe Teil II)

Um herauszufinden, wie die Projektarbeit von Morgen aussehen kann, lohnt es sich, einen Blick in die Vergangenheit des Projektmanagements zu werfen. Im zweiten Teil seiner Adventsreihe beschreibt Reinhard Wagner den Paradigmenwechsel im Projektmanagement und zeigt auf, worauf wir uns in Zukunft einstellen können.

Paradigmenwechsel im Projektmanagement

Mit den Veränderungen im Umfeld der Projektarbeit wurde verstärkt Ausschau nach neuen Methoden gehalten, immer wieder neue Schlagworte geprägt und teils „alter Wein in neue Schläuche“ gepackt. Jedoch ist ein „mehr des Gleichen“ in einem stark veränderten Umfeld sicherlich nicht zielführend.

Es gilt letztlich, eine radikale Neuorientierung im Umgang mit Projekten vorzunehmen, nicht ein Mehr an Prozessen, Methoden und Tools zu fordern, sondern Menschen wieder stärker in den Mittelpunkt der Projektarbeit zu rücken. Denn nur Menschen (unterstützt durch moderne Technologie) sind in der Lage, mit den steigenden Anforderungen in Projekten zurecht zu kommen und anspruchsvolle Ziele zu erreichen. Wenn wir ehrlich sind, dann kommt den Menschen in Projekten oft immer noch eher (nur) eine ausführende Rolle zu. Sie haben nur das auszuführen, was der Plan vorgibt. Jede Abweichung vom Plan wird als ein Risiko aufgefasst, das es auf jeden Fall zu vermeiden gilt – und nicht als Chance, mit dem Mehr an Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität umzugehen. Menschen sind demnach eher ein „Mittel zum Zweck“ der Zielerreichung in Projekten und nicht wie Johann Heinrich Gottlob von Justi über Projekte schreibt: „… Entwurf eines gewissen Unternehmens, wodurch unsere eigene oder anderer Menschen zeitliche Glückseligkeit befördert werden soll…“ (Krajewski 2004). Es sollte also genau umgekehrt sein: Projekte sind für die Menschen da, einerseits zur Förderung des Gemeinwohls, andererseits zur persönlichen Entfaltung. Sie sind ein Mittel zum Zweck der Gestaltung der Zukunft („Shaping the Future“) durch Menschen, und auch zur Selbstwirksamkeit. Insbesondere die junge Generation („Generation Y“) fordert eine Umkehr bzw. Neudefinition der Projektarbeit.

Der russische Philosoph Nikolai Fyodorovich Fyodorov (1829-1903) plädierte in seinen Werken schon für die Überwindung der Trennung von Denken und Handeln durch den sogenannten „Projektivismus“, d.h. praktisches Handeln auf Basis von theoretischen Erkenntnissen (Hagemeister, 1989). Damit wird laut Fyodorov auch die gesellschaftliche Trennung aufgehoben, zwischen einer „Intelligenz“, die Pläne macht, und denen, die diese Pläne auszuführen haben. Verkürzt könnte man auch sagen, dass durch Projekte die Emanzipation der Menschen von der eher industriellen Arbeit hin zur Selbstwirksamkeit möglich wird. Insbesondere die aktuell ins Berufsleben strebenden Projektmanager der „Generation Y“ fordern ein radikales Umdenken in Bezug auf ihre Rolle: „Sie [die Generation Y] legt … großen Wert auf Flexibilität und Freiräume, Weiterentwicklungsmöglichkeiten oder herausfordernde und interessante Aufgaben…“ (Renfer, 2014).

Die Kritiker eines solchen Ansatzes mögen nun einwenden: „Darf nun jeder machen, was er will?“, „So ist sicherlich kein, auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtetes unternehmerisches Handeln möglich!“ oder „Nicht jeder will sich selbst verwirklichen, viele Menschen brauchen Anweisungen und »Hilfe« beim Arbeiten.“ Damit sind wir beim zentralen Dreh- und Angelpunkt unternehmerischen Handelns angelangt, nämlich dem zugrunde liegenden Menschenbild. Denn wenn man davon ausgeht, dass Menschen motiviert und fähig sind, Projekte umzusetzen, dann wird man einen verhältnismäßig großen Freiraum zu deren Entfaltung gewähren und nur relativ wenig Prozesse, Methoden und Tools vorschreiben. Es geht dann insbesondere darum, inwieweit die in einem Projekt zu erreichenden Ziele sinnvoll sowie motivierend für den Einzelnen und seine Entwicklung sind, wie das Unternehmen die Realisierung des Projektes fördert (z.B. durch Gewährung von Freiraum und Coaching) und wie die Beteiligten von einer erfolgreichen Umsetzung des Projektes profitieren können.

Projekte erfordern auch eine Zusammenarbeit über alle Abteilungs-, Bereichs- und Unternehmensgrenzen hinweg. Und Zusammenarbeit verlangt Vertrauen der Menschen zueinander, Kompetenz im Umgang miteinander und eine projektfreundliche Kultur mit gemeinsamen Werten. Hier kommt man allein mit Prozessen, Methoden und Tools nicht weiter, hier gilt es, die soziale Seite der Projektarbeit wieder hervorzuheben und die Voraussetzungen für eine integrative Zusammenarbeit zu schaffen. Es geht also darum, Projekte (wieder) lebenswerter zu gestalten. Als Raum, in dem Menschen kreativ sein, die Zukunft gestalten und etwas in Bewegung setzen können. Aufklärung und Emanzipation ist hier gefragt. Unternehmen sollten Projektarbeit neu denken, weg von einem mechanistischen und hin zu einem humanistischen Verständnis. Nur so wird Projektarbeit den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht.

 

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Zu den anderen Teilen der Serie:

Literaturhinweise

Hagemeister, M. (1989): Nikolaj Fedorov. Studien zu Leben, Werk und Wirkung. München: Verlag Otto Sagner

Krajewski, M. (Hrsg.) (2004): Projektemacher. Berlin: Kulturverlag Kadmos

Renfer, S. (2014): Die Generation Y in der Projektarbeit. In: Weßels, D. (Hrsg.) (2014): Zukunft der Wissens- und Projektarbeit. Neue Organisationsformen in vernetzten Welten. Düsseldorf: symposion publishing

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