Weshalb es für den Kosmetikhersteller Weleda keine Alternative zu nachhaltigem Projektmanagement gibt | Ein Gespräch mit Olaf Lehmann

Wenn es um ökologisch produzierte Produkte und nachhaltiges Wirtschaften geht, gehört Weleda zweifellos zu den deutschen Vorzeigeunternehmen. Seit 1921 werden Kosmetika und Arzneimittel mit dem Anspruch entwickelt, Mensch und Natur zu schonen.

Wir haben mit Olaf Lehmann, Leiter Projekt- und Prozessmanagement (PPM), über das Verständnis des Begriffs Nachhaltigkeit gesprochen und nachgefragt, ob und welche Auswirkungen diese Ausrichtung auf die Arbeit eines Projektmanagers hat.

In den vergangenen Jahren hat Weleda wichtige Nachhaltigkeitspreise gewonnen, darunter den CSR-Preis der Bundesregierung sowie den Global Responsible Business Award. Viele Unternehmen behaupten, ökologisch verantwortungsbewusstes Wirtschaften sei teuer, zu teuer. Doch im vergangenen Jahr konnten Sie Ihre Umsätze um 2,8 Prozent steigern, und auch in diesem Jahr rechnen Sie mit einem Umsatzplus. Was sagen Sie den Pessimisten? Geht Erfolg trotz oder gerade wegen der konsequenten Ausrichtung auf Nachhaltigkeit?

Olaf Lehmann: Weleda wirtschaftet vor allem wegen des nachhaltigen Gedankens erfolgreich. Diese Haltung war schon immer Teil unserer Geschäftstätigkeit und der Idee hinter Weleda. Es gibt eindeutig einen Wachstumsmarkt für nachhaltig erzeugte Güter und Dienstleistungen und dies speziell in unseren beiden Geschäftsfeldern Naturkosmetik und natürliche Heilmittel. Es entstehen natürlich Kosten für ein Unternehmen, aber gleichzeitig bringen diese Investitionen enorme Vorteile und Nutzen: Beispiele wären geringere Reputations- und Compliance-Risiken, geringere Beschaffungsrisiken bspw. bei unserem Lieferkettenmanagementsystem oder den Ressourceneinsparungen, um nur einige zu nennen. Und generell sollte man neben der reinen Kosten-Nutzen-Betrachtung Nachhaltigkeit als einen strategischen Imperativ ansehen, denn neben dem Nutzen ist nachhaltiges Wirtschaften eine unternehmerische Verantwortung.

Was versteht Weleda konkret unter Nachhaltigkeit? Ein anthroposophisch ausgerichtetes Unternehmen geht doch sicher deutlich weiter als der Durchschnitt?

Lehmann: Weleda versucht Nachhaltigkeit mit einem ganzheitlichen, umfassenden Blick auf die Geschäftstätigkeit zu leben, die soziale, ökologische und ökonomische Kriterien berücksichtigt. Sie kommt tief aus unserem Grundverständnis und Gründungsimpuls sowie unserer Vision und Mission. Daher haben wir schon nachhaltig gehandelt, bevor es das Wort überhaupt gab. Wir gehen insofern weiter, als dass wir neben der eigentlichen Herstellung von per-se nachhaltigen Produkten Wert auf Bewusstseinsbildung legen, z.B. in Form von Publikationen wie WERDE, Veranstaltungen im eigenen Erlebniszentrum, etc. Außerdem durchdringt Nachhaltigkeit alle wesentlichen Themen unserer Geschäftstätigkeit – von den Menschen in der Lieferkette zu unseren eigenen Mitarbeitern und Kunden, vom Anbau unserer Rohstoffe bis zu unseren eigenen Gärten, die ein Beispiel für eine nachhaltige, zukunftsfähige Landwirtschaft sind.

Seit 2012 veröffentlichen Sie einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht. Das kann eine Marketingmaßnahme sein – oder ein Ansporn. Welche Auswirkungen hatte die Einführung auf das tägliche Arbeiten, beispielsweise im Projektmanagement?

Lehmann: Im Rahmen von Projekten werden alle Investitionen durch die Nachhaltigkeitsabteilung begutachtet. Dabei wird das Projekt hinsichtlich der Ausrichtung auf unsere Nachhaltigkeitsstrategie und den Einfluss auf bestimmte Nachhaltigkeitskriterien geprüft. Zusätzlich kann das Nachhaltigkeitsmanagement einen Vorschlag zur Erweiterung des Projektscopes machen, um bestimmte Ziele besser zu unterstützen.

Bei Weleda werden Projekte auf Basis der integralen Methode ausgewählt und geclustert. Was war der Grund für die Wahl ausgerechnet dieser Methode? Halten Sie sie besonders geeignet für ein Unternehmen, dem Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen wichtig ist?

Lehmann: Wir haben wie viele andere Unternehmen bei Change- und Organisationsentwicklungsprojekten die Erfahrung gemacht, dass man das Thema Entwicklung immer ganzheitlich angehen muss. Häufig werden Maßnahmen mit dem Fokus der Außenperspektive angegangen, was bedeutet, dass die gesamte Innenperspektive des Einzelnen (wie z.B. die Haltung) sowie der Gruppe (wie z.B. Werte) vernachlässigt wird. Diese Betrachtungsweise ist deshalb im Rahmen der Nachhaltigkeit so relevant und geeignet, weil damit Projekt- und Entwicklungsziele deutlich erfolgreicher und eben nachhaltiger erreicht werden können.

Wie geht ein Traditionsunternehmen mit einer strikten Vision die Digitalisierung an? Erschwert Tradition den Wandel eines Unternehmens?

Lehmann: Dies kann für ein traditionsgeprägtes Unternehmen schon eine Hürde sein. An dieser Stelle gilt es dringend, von einer Entweder-oder-Haltung zu einer Sowohl-als-auch-Einstellung zu kommen. Eine Vision gibt ja auch nicht per se vor, wie sie umgesetzt wird. Damit ist die Digitalisierung eine Teilstrategie unter anderen, wenn auch eine sehr wesentliche. Man sollte die Möglichkeiten der Digitalisierung für interne und externe Kunden aufzeigen, dann steigt auch deren Akzeptanz.

Wenn Sie Kollegen aus anderen Unternehmen von einem nachhaltigen Vorgehen im Projektmanagement überzeugen müssten, was wären Ihre Argumente?

Lehmann: In der heutigen Zeit gibt es keine Alternative zu nachhaltigem Projektmanagement, da sich ein Unternehmen deutlich schneller auf immer höhere Entwicklungsstufen entwickeln muss. Dabei stehen der Mensch und die Projektgruppe als entscheidende Erfolgskriterien immer im Mittelpunkt. Organisationales Lernen bedeutet auch, von den Erfahrungen anderer Unternehmen zu profitieren und diese mit in die eigene Strategie einzubauen. Dabei wird im integralen Denken das Projekt nicht isoliert betrachtet, sondern immer im Zusammenhang mit allen anderen laufenden und geplanten Vorhaben. Dieser Vorteil der übergreifenden Zielausrichtung ist ebenfalls ein gutes Argument.

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