Die Coronapandemie wirkte auf die Digitalisierung wie ein Brandbeschleuniger: Virtuelle Kollaboration, Online-Meetings und die Nutzung digitaler Tools sind mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Daily Business geworden. Aber welche Auswirkungen hat dies auf Führung? Wie muss Digital Leadership in Zukunft aussehen und welche Rolle spielt dabei Citizen Development? Marcus Machon, Citizen Development Experte und Berater für Digitalisierung, spricht in diesem Interview darüber, wie Führungskräfte digitale Tools nutzen können und sollten und wie Führung im virtuellen Kontext gelingen kann.
Tiba Redaktion: Du bist einer der Pioniere der Digitalisierung bei der Tiba. Wie kam es dazu, dass du dich zum „Digitalnomaden“ entwickelt hast?
Marcus Machon: Als ich 2016 als Berater bei der Tiba anfing, stand ich vor der Herausforderung, anspruchsvolle Projekt-Reportings mit PowerPoint und Excel erstellen zu müssen. Das war eine mühsame und nervenaufreibende Arbeit – ich musste stundenlang Daten in Excel kopieren und PowerPoint-Diagramme basteln.
Aber aus dieser Not heraus entstand meine Motivation, mich in die digitale Themenwelt hineinzufuchsen. Ich sah die unglaublichen Möglichkeiten von Excel-Formeln zur Automatisierung und begann, mich intensiv damit zu beschäftigen. Meine Neugierde brachte mich zu Power Query, Power BI Reporting, Power Automate und Microsoft Lists, die mein Arbeiten komplett veränderten. Die Anstrengungen haben sich gelohnt: Das Reporting, das mich früher Tage kostete, konnte ich nun in wenigen Minuten erledigen. Dabei merkte ich, dass auch viele Kund:innen nach einfachen Lösungen für Automatisierung und Reporting suchten, ohne große IT-Projekte starten zu müssen. Das weckte in mir den Wunsch, anderen zu zeigen, wie sie von der Digitalisierung profitieren können.
Dieser Need gepaart mit meinem persönlichen Interesse resultierte schlussendlich in der Gründung eines eigenen Kompetenzcenters “Citizen Development”. Seitdem durfte ich ein großartiges Team von 6 Kolleginnen und Kollegen aufbauen. Gemeinsam engagieren wir uns alle für die digitale Transformation mit Microsoft 365, um sowohl unsere eigenen Prozesse als auch die Anforderungen unserer Kundschaft effizienter und effektiver zu gestalten. So wurde aus dem persönlichen Bedürfnis eine inspirierende Erfolgsgeschichte.
Tiba Redaktion: Was bedeutet für Dich „Digital Leadership“ und wie setzt Du Citizen Development und Microsoft 365 dafür ein?
Marcus Machon: Digital Leadership bedeutet für mich, die Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation zu erkennen und aktiv zu gestalten. Dazu gehören auch unbequeme Themen, die oft von New Work Befürwortern oder selbsternannten LinkedIn Coaches vernachlässigt werden. Zum Beispiel glaube ich, dass man gerade bei Remote Arbeit als Führungskraft teilweise intensiver führen muss, um die Motivation, das Engagement und die Leistung der Mitarbeitenden zu fördern und zu erhalten. Das erfordert eine klare Zielsetzung und Kontrolle, sowie regelmäßiges Feedback, am liebsten ohne Schönfärberei.
Besonders hilfreich im Kontext der digitalen Führung ist für mich Microsoft 365. Als Führungskraft dient Microsoft als zentrales Werkzeug, um eine nahtlose Zusammenarbeit und Kommunikation zu ermöglichen.
Tiba Redaktion: Wie kann Citizen Development und die Arbeit mit Microsoft 365 konkret Führungskräfte dabei unterstützen, die Organisationen erfolgreich in die digitale Zukunft zu führen?
Marcus Machon: Citizen Development und Microsoft 365 bieten Führungskräften praxisnahe Lösungen, um ihre Organisationen erfolgreich in die digitale Zukunft zu führen. Hier sind einige konkrete Beispiele, wie ich diese Tools in meinem eigenen Team einsetze:
- Lebendige Kommunikation und Zusammenarbeit: In meinem Team haben wir ein eigenes Microsoft Team für die interne Kommunikation. Wir nutzen Microsoft Teams für eine wöchentliche Kaffeepause sowie zur Koordination von internen Projekten, wodurch unsere Zusammenarbeit effizienter und transparenter wird. Außerdem nutze ich intensiv Viva Engage als “Soziales Netzwerk” in der Tiba, um über die neuesten Trends, Tipps, Tricks aber auch Persönliches zu informieren. So kann ich den Austausch mit anderen Führungskräften ausbauen und ein richtiges Leadership-Netzwerk aufbauen.
- Schnelle und flexible Umsetzung: Mit der Power Platform haben wir Apps entwickelt, die es uns ermöglicht, Kundenanfragen schneller und effizienter zu bearbeiten. Durch die Einbindung von Power Automate in unsere Prozesse konnten wir Routineaufgaben automatisieren und Zeit für wichtigere Aufgaben freisetzen. Dadurch haben meine Mitarbeitenden mehr Zeit für persönliche oder fachliche Weiterbildung und Aufgaben. Ich habe in dem Zusammenhang festgestellt, dass meine Mitarbeiter:innen und auch ich persönlich weniger belastet und ausgeglichener sind.
- Datengetriebene Entscheidungen und Ziele: Mithilfe von Power BI haben wir Reports und Dashboards erstellt, die uns einen Überblick über unsere wichtigsten Leistungskennzahlen (KPIs) geben. Dadurch können wir fundierte Entscheidungen treffen und unsere Ressourcen effektiver einsetzen. In Kombination mit Viva Goals haben wir ein OKR-System implementiert, das uns dabei hilft, unsere Ziele besser zu verfolgen und anzupassen. Als Führungskraft kann ich so klare Ziele setzen und mein Team auf eine gemeinsame Vision und Strategie ausrichten.
- Klares und transparentes Aufgabenmanagement: Wir verwenden Microsoft Planner und Microsoft Project Web, um unsere Projekte und Aufgaben zu organisieren. Dabei haben wir festgestellt, dass die klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten und die Möglichkeit, den Fortschritt von Aufgaben in Echtzeit nachzuvollziehen, unsere Produktivität erheblich steigern. Wir verfolgen den Aufgabenfortschritt hier wöchentlich oder alle zwei Wochen nach.
Durch die effektive Nutzung dieser Tools und die Umsetzung von Digital Leadership-Prinzipien können Führungskräfte ihre Organisationen agiler gestalten und erfolgreich in die digitale Zukunft führen. Eigentlich eine schöne, neue Welt und viele Möglichkeiten für Führungskräfte. Allerdings habe ich die Wahrnehmung, dass gerade Führungskräfte sich mit den Potenzialen von Technologien kaum auseinandersetzen.
Tiba Redaktion: Wie können Führungskräfte sicherstellen, dass Citizen Development in ihrer Organisation erfolgreich umgesetzt wird?
Marcus Machon: Eine erfolgreiche Citizen Development Initiative ist tatsächlich eine Gratwanderung zwischen Freiheit und Governance. Einerseits möchten wir die Kreativität und Innovationskraft der Mitarbeiter fördern, andererseits müssen wir sicherstellen, dass die entwickelten Lösungen den Unternehmensstandards entsprechen und keine Sicherheitsrisiken darstellen.
Zunächst sollten Führungskräfte und IT Abteilungen bereit sein, ein gewisses Maß an Flexibilität zuzulassen und ihre Mitarbeiter dazu ermutigen, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Gleichzeitig sollten sie jedoch auch die richtige Balance finden, indem sie klare Richtlinien und Rahmenbedingungen für Citizen Development schaffen.
Ich empfehle, motivierte und kompetente Mitarbeiter:innen zu identifizieren, die an solchen Projekten interessiert sind und die notwendige Zeit und Initiative mitbringen. Führungskräfte sollten mit diesen Mitarbeitenden konkrete, einfache Anwendungsfälle für Automatisierungen oder Auswertungen entwickeln und daraus Rückschlüsse ziehen, welche Projekte sich für Citizen Development eignen und welcher Aufwand damit verbunden ist.
Zusammengefasst sollten Führungskräfte also einerseits Freiheiten gewähren, um Innovationen zu fördern, andererseits aber auch klare Rahmenbedingungen und Richtlinien schaffen, um Risiken zu minimieren und den nachhaltigen Erfolg von Citizen Development-Initiativen sicherzustellen.
Tiba Redaktion: Was ist Digital Leadership für Dich persönlich und welche Vor- und Nachteile kommen in einem immer stärkeren digitalisierten Arbeitsumfeld auf uns alle zu? Welche Erfahrungen hast Du konkret gemacht?
Marcus Machon: Digital Leadership bedeutet für mich, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, um effektivere und effizientere Arbeitsweisen zu fördern, während man gleichzeitig das Wohlbefinden der Mitarbeitenden im Blick behält. Digital Leadership geht für mich immer auch mit Mut, Entscheidungsfreude, Neugierde und einem gewissen Spieltrieb einher. Ja, neue Tools und Arbeitsweisen kosten Zeit, man muss aber (auch oder gerade als Führungskraft) diese Zeit investieren und Dinge ausprobieren, um festzustellen, ob diese Tools die Arbeit effizienter machen oder nicht. Aus meiner persönlichen Erfahrung bringt gerade die Remote-Arbeit viele Vorteile mit sich. Ich fühle mich bei der mobilen Arbeit deutlich produktiver und flexibler.
Unser Team besteht aus sechs Personen, die alle remote mit unseren Kund:innen zusammenarbeiten. Natürlich fehlt hier der persönliche Kontakt. Um dem entgegenzuwirken, hatte Joana z.B. die Idee, dass wir einmal die Woche eine 30-minütige virtuelle Kaffeepause im Team einrichten, um regelmäßig gemeinsam an internen Projekten zu arbeiten. Zudem treffen wir uns in der Regel 2–3-mal im Jahr persönlich bei gemeinsamen Veranstaltungen oder Workshops.
Ein konkretes Beispiel dafür ist die Nutzung von Microsoft Viva Insights. Für mein Team habe ich automatisch wöchentliche Fokuszeiten eingeplant, um ihnen ungestörte Zeit für konzentriertes Arbeiten zu ermöglichen. Diese Fokuszeiten helfen den Teammitgliedern, ihre Arbeit effizienter zu erledigen und gleichzeitig Stress abzubauen, da sie wissen, dass sie feste Blocker für ihre Aufgaben haben.
Ein weiterer Aspekt ist die bewusste Deaktivierung von Outlook- und Teams-Benachrichtigungen nach 18 Uhr. Indem ich abends alle Benachrichtigungen deaktiviere, sorge ich dafür, dass meine Mitarbeitenden ihre Freizeit ungestört genießen und abschalten können. Das trägt zu einer besseren Work-Life-Balance bei und fördert langfristig die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeiter.
Als Digital Leader ist es meine Aufgabe, das Wohlbefinden meiner Mitarbeitenden sicherzustellen und ihnen gleichzeitig die Tools und Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie für ihre tägliche Arbeit brauchen. Microsoft 365, Chat GPT und Bing Chat werden meiner Meinung nach unser gesamtes Arbeitsumfeld revolutionieren. Ein konkretes Beispiel ist der Microsoft 365 Copilot in PowerPoint, der aus einer simplen Idee automatisch eine Präsentation zaubert. In Teams hilft Copilot komplette Meeting-Protokolle zu erstellen. Als Führungskraft im digitalen Zeitalter ist es unsere Aufgabe, diese Veränderungen zu erkennen und uns aktiv damit auseinanderzusetzen, um die Mitarbeitenden erfolgreich durch den digitalen Dschungel zu lotsen.
Wir danken Dir für dieses inspirierende Gespräch.