Innovative Lernmethoden

Wie adaptives Lernen die Weiterbildung revolutioniert

KI-geniertes blaues Bild einer Glühbirne | Innovationsmanagement

Weiterbildung steht heute an einem Wendepunkt. Während klassische Lernformate oft standardisiert, linear und wenig flexibel sind, verlangen moderne, digitale Arbeitswelten nach maßgeschneiderten Lösungen: schnell, adaptiv und effektiv. Der Ruf nach innovativen Lernmethoden wird immer lauter und im Zentrum steht dabei ein Konzept, das gerade dabei ist, die betriebliche Bildung grundlegend zu verändern: adaptives Lernen. In diesem Blog erfahren Sie alles, was Sie darüber wissen müssen: Was genau es ist, warum Unternehmen darauf setzen sollten, welche Tools es gibt und wie die Zukunft des Lernens aussieht.

Monika Berezowski

Was ist adaptives Lernen?

Adaptives Lernen bezeichnet Lernsysteme, die sich in Echtzeit an das individuelle Vorwissen, die Lernziele und das Verhalten der Lernenden anpassen. Statt für alle dieselben Inhalte in gleicher Reihenfolge bereitzustellen, erkennen adaptive Systeme, wo Unterstützung gebraucht wird, wo Herausforderungen liegen und wo Lernfortschritt möglich ist (Ifenthaler & Yau, 2020).

So entsteht eine personalisierte Lernerfahrung, bei der niemand über- oder unterfordert wird – ein entscheidender Vorteil gegenüber klassischen One-Size-Fits-All-Formaten.

Warum wir adaptives Lernen brauchen

Die Anforderungen an Mitarbeitende verändern sich schneller denn je – neue Tools, Prozesse und Kompetenzen müssen kontinuierlich aufgebaut werden. Klassische E-Learnings oder Präsenzseminare stoßen dabei an ihre Grenzen:

  • Sie ignorieren individuelle Unterschiede in Vorwissen und Lernstil.
  • Sie bieten kaum Flexibilität, was Inhalte, Dauer oder Lernweg betrifft.
  • Sie erzeugen oft geringe Motivation – weil der Lernende nicht „abgeholt“ wird.

Studien zeigen, dass adaptive Lernsysteme signifikant bessere Lernergebnisse erzielen können – insbesondere, wenn sie durch
gestützt und datenbasiert optimiert werden (Sampson et al., 2020; Papamitsiou & Economides, 2014).

Die Einführung adaptiver Lernmethoden ist nicht nur ein pädagogisches Thema, sondern ein klarer Business Case. Denn: Individuelles Lernen bedeutet effizienteres Lernen und das wirkt sich direkt auf Produktivität, Kompetenzaufbau und Zufriedenheit aus. Zu den Vorteilen von adaptivem Lernen gehören:

Höhere Effizienz bei geringerem Zeitaufwand

Adaptives Lernen reduziert unnötige Wiederholungen und erkennt automatisch, was der oder die Lernende bereits weiß. So können Mitarbeitende gezielt an ihren Wissenslücken arbeiten und sparen dabei wertvolle Zeit. Guerra et al. (2016) fanden, dass anpassungsfähige Lernsysteme den Lernaufwand um bis zu 50% reduzieren, da sie Inhalte kontextbezogen filtern.

Vermeidung von kognitive Überlastung

Ein zu hohes Lernpensum (kognitive Belastung) oder unpassende Inhalte führen schnell zu Frustration oder Abbruch. Adaptive Systeme analysieren das Lerntempo, die Wiederholungsrate und Fehlerhäufigkeit, um Überforderung zu vermeiden. Das erhöht die Lerneffektivität deutlich (Plass et al., 2010).

Gesteigerte Lernmotivation und -bindung

Wenn Lernende Inhalte bekommen, die wirklich zu ihrem Kenntnisstand und ihren Zielen passen, steigt auch die Motivation. Das Gefühl, gesehen und individuell gefördert zu werden, wirkt sich positiv auf die Lernhaltung aus. Laut Sampson et al. (2020) erhöhen personalisierte Lernpfade die intrinsische Motivation signifikant – vor allem im Vergleich zu starren Kursstrukturen.

Gezielter Kompetenzaufbau für strategische Ziele

Unternehmen können adaptive Lernsysteme gezielt dafür nutzen, strategisch relevante Kompetenzen zu entwickeln – etwa im Bereich Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder Führung. Die Lernplattform erkennt automatisch, wer bereits über welche Kompetenzen verfügt und wo noch Bedarf besteht.

Datenbasierte Entscheidungen und ROI-Tracking

Da adaptive Lernsysteme auf kontinuierlichem Feedback und Datenanalyse beruhen, bieten sie auswertbare KPIs, die für HR und Personalentwicklung essenziell sind: Lernfortschritt, Drop-out-Raten, Erfolgsquoten pro Modul – alles messbar und steuerbar. Das bedeutet, dass die Kombination aus adaptivem Lernen und Learning Analytics es Unternehmen ermöglicht, Lernen endlich strategisch zu steuern – mit fundierten, datenbasierten Entscheidungen (Ifenthaler & Yau, 2020).

Feedback und Selbstregulation

Lernen ist nicht nur Aufnahme von Wissen, sondern auch Reflexion und Steuerung des eigenen Lernverhaltens. Adaptive Systeme geben individuelles, sofortiges Feedback, fördern metakognitive Kompetenzen und machen selbstreguliertes Lernen messbar (Zimmerman, 2002).

Adaptives Lernen in der Praxis: Technologien und Plattformen im Überblick

Was früher wie Zukunftsmusik klang, ist heute längst im Einsatz: Zahlreiche EdTech-Plattformen und Lernmanagementsysteme (LMS) bieten mittlerweile adaptive Lernfunktionen, die auf Künstlicher Intelligenz, Learning Analytics und algorithmengestützter Lernpfadsteuerung basieren. Hier ein Überblick über zentrale Technologien:

KI-gestützte Lernplattformen

Plattformen wie Docebo, Area9 Rhapsode oder Squirrel AI nutzen Künstliche Intelligenz, um Lernverhalten in Echtzeit zu analysieren und Inhalte individuell anzupassen. So können Lernende in ihrem individuell optimalen Tempo und mit der passenden Tiefe lernen (Spector, 2020). Der Fokus liegt dabei auf der dynamischen Steuerung von Lernpfaden, basierend auf Wissen, Fortschritt und Interaktionen der Lernenden.

Learning Management Systeme mit adaptiven Features

Bekannte LMS wie Moodle, Totara oder TalentLMS bieten durch Plugins oder integrierte Funktionen die Möglichkeit, Lerninhalte je nach Nutzerprofil und Testergebnissen zu differenzieren. Zwar nicht vollständig KI-basiert, aber modular adaptierbar – besonders für Organisationen mit spezifischen Anforderungen.

Microlearning- und Content-Plattformen

Anbieter wie EdApp, Axonify oder Speexx kombinieren adaptives Lernen mit Microlearning-Formaten. Durch kurze, auf den Punkt gebrachte Lerneinheiten, die sich automatisch an den Wissensstand anpassen, eignen sich diese Lösungen besonders für den Einsatz im Arbeitsalltag.

Lern-Experience-Plattformen (LXP)

LXP-Systeme wie Degreed, Valamis oder EdCast setzen auf ein kuratiertes, adaptives Lernerlebnis – ähnlich wie bei Netflix: Inhalte werden empfohlen, kombiniert und durch die Lernenden bewertet. So entstehen personalisierte Lernreisen, die auf Rollenprofilen, Lernzielen und Interessen beruhen. Das bedeutet, LXPs ermöglichen einen fundamentalen Paradigmenwechsel – weg vom Push-Lernen hin zum individuellen, datengetriebenen Pull-Lernen (Van Dam & Klerkx, 2019).

Die Herausforderungen – Nicht alles ist (noch) automatisierbar

Trotz aller Vorteile gibt es auch didaktische Herausforderungen:

  • Komplexe Kompetenzen wie Kreativität, kritisches Denken oder soziale Interaktion lassen sich nur schwer in digitale Lernpfade gießen.
  • Kontextabhängigkeit bleibt ein Thema: Adaptive Systeme brauchen qualitativ hochwertige Daten – sonst kann es zu Fehlanpassungen kommen.
  • Und schließlich: Die beste Technik ersetzt nicht die Bedeutung von Austausch, Coaching und sozialem Lernen – sondern ergänzt sie.

Wie Schmid, Goertz & Behrens (2021, S. 15) sagten: „Adaptives Lernen ist kein Ersatz für zwischenmenschliche Lernprozesse – es ist eine Erweiterung.“

Ethik und Verantwortung – Wenn Maschinen mitentscheiden, was wir lernen

Je individueller ein Lernprozess gestaltet wird, desto mehr Daten braucht das System über die Lernenden. Genau hier liegt eine zentrale ethische Herausforderung:

Wie viel Transparenz, Einwilligung und Datensouveränität sind gegeben und wie stark wird das Lernen durch automatisierte Empfehlungen gelenkt oder gar manipuliert?

  1. Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung

Adaptives Lernen basiert auf Nutzerdaten – von Klickverhalten über Testergebnisse bis hin zu Aufmerksamkeitsspannen. Diese Daten müssen:

  • rechtlich abgesichert (DSGVO),
  • zweckgebunden gespeichert und
  • für Lernende verständlich einsehbar sein.
  1. Transparenz der Algorithmen

Ein weiterer ethischer Anspruch: Erklärbarkeit. Wenn ein System empfiehlt, einen Kurs nicht fortzusetzen oder Inhalte zu überspringen – warum genau? Black-Box-Algorithmen gefährden das Vertrauen in die Lernplattform. Deshalb fordern Bildungsexpert:innen sog. Explainable AI (XAI) auch im Bildungsbereich. Laut Schmidt et al. (2021) muss der Einsatz adaptiver Systeme pädagogisch begründbar, technisch nachvollziehbar und gesellschaftlich legitimiert sein.

Kulturelle und organisationale Voraussetzungen

Technik allein macht noch keinen Wandel. Damit adaptives Lernen wirklich wirkt, braucht es:

  1. Veränderungsbereitschaft im Unternehmen

Viele Organisationen denken Weiterbildung noch immer als One-Size-Fits-All-Angebot. Der Wechsel zu datengetriebenen, personalisierten Formaten verlangt:

  • ein klares Kompetenzmodell,
  • Offenheit für kontinuierliche Entwicklung und
  • oft eine neue Lernkultur, in der Feedback, Reflexion und Selbstverantwortung aktiv gefördert werden.
  1. Digitale Souveränität

Nicht alle Mitarbeitenden fühlen sich sofort wohl mit datenbasierten Lerntechnologien. Deshalb ist es wichtig, digitale Kompetenzen zu fördern und das Vertrauen in die Systeme nicht vorauszusetzen, sondern aufzubauen. Denn: „Digitalisierung in der Weiterbildung gelingt nur dann, wenn Lernende sich befähigt fühlen, aktiv und kritisch mit den Systemen umzugehen“ (Arnold et al., 2018, S. 49).

Strategischer Ausblick: Wohin entwickelt sich adaptives Lernen?

Adaptives Lernen steckt trotz aller Fortschritte noch in einer frühen Entwicklungsphase. Die Technologie ist da, doch der flächendeckende, nachhaltige Einsatz in der betrieblichen Weiterbildung ist noch längst nicht Standard. Für Unternehmen, die zukunftsorientiert denken, eröffnet sich damit ein strategisches Fenster:

Vom Kurskatalog zur Lernumgebung

Lernangebote werden sich weiter vom linearen Kursmodell hin zu dynamischen Lernumgebungen entwickeln, in denen Mitarbeitende eigenverantwortlich, aber unterstützt durch smarte Systeme, Kompetenzen aufbauen. Der Fokus verlagert sich dabei von „Welchen Kurs hast du gemacht?“ hin zu „Was kannst du wirklich?“. Mittelfristig werden also Kompetenzorientierung, Personalisierung und Lernpfad-Individualisierung zum Standard in digitalen Lernökosystemen (Ifenthaler, 2022).

Integration in tägliche Arbeitsprozesse

Adaptives Lernen wird zunehmend in Performance Support-Systeme, Learning Experience Platforms (LXPs) und digitale Arbeitsplatzumgebungen eingebettet. Ziel ist es, Lernen nahtlos mit dem Arbeitsalltag zu verzahnen. Lernen wird also nicht länger als separater Prozess verstanden, sondern als integraler Bestandteil eines produktiven Arbeitstags (Bersin, 2018).

Demokratisierung durch KI oder neue Ungleichheiten?

Während KI-gestützte Lernplattformen großes Potenzial haben, Weiterbildung zugänglicher zu machen, besteht auch die Gefahr einer digitalen Schere: Unternehmen mit Ressourcen, Daten und Strategie setzen moderne Lösungen ein – andere bleiben zurück. Langfristig wird es entscheidend sein, Lösungen zu entwickeln, die skalierbar, inklusiv und finanzierbar sind – insbesondere auch für KMUs und öffentliche Bildungseinrichtungen. Wichtig ist, sich im Klaren darüber zu sein, dass Technologie allein keine Bildungsgerechtigkeit schafft, lediglich dich Chance dazu, dass sie bewusst gestaltet wird (Selwyn, 2019).

Zukunftsfähigkeit durch Lernökosysteme

Viele Weiterbildungsabteilungen bewegen sich aktuell von klassischen LMS hin zu modularen, vernetzten Ökosystemen, in denen unterschiedliche Tools (z. B. Video-Plattformen, Quiz-Engines, Analytics, Feedback-Systeme) über Schnittstellen verbunden sind. Adaptive Lernsysteme werden dabei das Rückgrat der Personalisierung bilden.

Fazit

Adaptives Lernen ist kein kurzfristiger Trend, sondern ein Schlüsselkonzept der Weiterbildung von morgen. Unternehmen, die heute in entsprechende Systeme, Kompetenzen und ethische Standards investieren, bauen die Grundlage für zukunftsorientiertes Lernen – individuell, effizient und wirkungsvoll.

Literatur

Arnold, P., Kilian, L., Thillosen, A. & Zimmer, G. (2018). Handbuch E-Learning: Lehren und Lernen mit digitalen Medien. Springer.

Bersin, J. (2018). Learning in the Flow of Work. Deloitte Review.

Guerra, E., Hosseini, R., & Brusilovsky, P. (2016). An intelligent interface for learning programming with open student modeling. International Journal of Artificial Intelligence in Education, 26(1), S. 110-132.

Ifenthaler, D. (2022). Digital Learning Analytics and Didactic Design: New Dimensions of Learning with Data. Springer.

Ifenthaler, D. & Yau, J. Y.-K. (2020). Utilising learning analytics to support study success in higher education: A systematic review. Educational Technology Research and Development, 68(4), S. 1961-1990.

Papamitsiou, Z. & Economides, A. A. (2014). Learning analytics and educational data mining in practice: A systematic literature review of empirical evidence. Educational Technology & Society, 17(4), S. 49-64.

Plass, J. L., Moreno, R. & Brünken, R. (2010). Cognitive Load Theory. Cambridge University Press.

Sampson, D. G., Ifenthaler, D., Spector, J. M. & Isaías, P. (2020). Digital technologies and change in education: The theory and practice of learning. Springer.

Schmid, U., Goertz, L. & Behrens, J. (2021). KI in der Bildung: Potenziale und Grenzen adaptiver Lernsysteme. Bertelsmann Stiftung.

Selwyn, N. (2019). Should Robots Replace Teachers? AI and the Future of Education. Polity Press.

Spector, J. M. (2020). Conceptualizing the learning sciences: Thinking, knowing, and understanding. Routledge.

Van Dam, N. & Klerkx, S. (2019). The Rise of the Learning Experience Platform: Navigating the New World of Digital Learning. Deloitte Insights.

Zimmerman, B. J. (2002). Becoming a self-regulated learner: An overview. Theory into Practice, 41(2), S. 64-70.

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