Ziel des agilen Projektmanagements ist es, die Wirtschaft wieder mehr am Menschen auszurichten. Denn nur so lässt sich die Wertschöpfung in Zeiten komplexer Umfelder und sich ständig ändernder Rahmenbedingungen optimieren. Was bedeutet dies für das Projektmanagement?
Alle wollen auf einmal „agil“ werden … Aber was heißt das eigentlich? Das Wort „agil“ wurde v.a. durch das Agile Manifesto (2001) geprägt, das von Software-Entwicklern erstellt wurde.
Diese fanden für sich heraus, dass sie bei ihrer Entwicklung den Menschen mehr in den Mittelpunkt stellen und die Kollaboration im Team fördern, weniger Bürokratie und damit schnellere Ergebnisse haben und mit dem Kunden enger und vertrauensvoller zusammenarbeiten wollten. Gleichzeitig war für sie kontinuierliche Veränderung etwas ganz Natürliches. Seitdem hat sich das Wort „agil” und das damit verbundene Mindset schnell ausgebreitet und wurde schlichtweg zum Synonym für schnelles, unbürokratisches und selbstorganisiertes „was auch immer” – und erobert seitdem auch das Projektmanagement.
Was bedeutet dies nun konkret? Wird Scrum nun das oft als zu starr und unflexibel geltende Projektmanagement in Zukunft ablösen? Nein – wer sich „Agilität” im Projektmanagement wünscht, braucht mehr als Scrum. Vielmehr wird das PM der Zukunft verschiedene „agile” Ansätze, darunter auch Design Thinking, KANBAN, Lean und andere integrieren und nutzen, um sich selbst neu zu erfinden.
Bei all den Ansätzen geht es primär darum, die Wirtschaft wieder mehr am Menschen auszurichten, den Kunden und den Mitarbeiter stärker in den Mittelpunkt zu stellen, um die Wertschöpfung in Zeiten komplexer Umfelder und sich ständig ändernder Rahmenbedingungen zu optimieren.
Dabei liegen den verschiedenen Ansätzen zu Agilität immer wieder bestimmte Prinzipien zu Grunde:
Die 7 Prinzipien für die „Agilisierung“ des Projektmanagements
1. Freiwilligkeit
Der Dreh- und Angelpunkt von Wertschöpfung im Unternehmen sind kleine selbstorganisierte Teams, in denen verschiedene Individuen kreativ zusammenarbeiten. Selbstorganisation funktioniert am besten, wenn die Individuen im Team freiwillig ihre jeweiligen persönlichen Stärken einbringen, d.h. wenn sie so viel „Passion“ (willingness to suffer) haben, dass sie auch ohne Druck und Kontrolle arbeiten.
2. Geschützter Rahmen
Um freiwillig und kreativ arbeiten zu können, muss vom (Top-)Management entsprechend Frei-Raum und Frei-Zeit gegeben werden, in dem das Team geschützt vor dem Tagesgeschäft und sonstigen Erwartungen „agil“ arbeiten kann.
3. Echtes Team
Ein interdisziplinäres Team besteht aus möglichst verschiedenen Experten und sogenannten „Brückenmenschen“. Diese sind in zwei oder mehreren verschiedenen Disziplinen zu Hause und können somit Brücken zwischen den Experten schlagen. Je kreativer, unkonventioneller und komplexer die Aufgabe ist, desto unterschiedlicher sollten auch die Teammitglieder sein. Um aus Beteiligten ein echtes Team zu formen, das Collective Ownership übernimmt, braucht es Zeit sowie ein erhebliches Maß an Offenheit und Mut von allen Beteiligten.
4. Supportive Management
In einem komplexen Umfeld werden Menschen gebraucht, die mit einem Augenzwinkern das Team beobachten und es dabei unterstützen, sich selbst zu organisieren, um IHRE Aufgabe zu meistern. Das Mittlere Management hat dabei die Aufgabe, das Team zur Selbstorganisation zu befähigen und es bestmöglich dabei zu unterstützen, erfolgreich zu sein.
5. Iterate to Wow
In komplexen Umfeldern und wenn wir Produkte oder Dienstleistungen erzeugen wollen, die den Kunden begeistern, können Anforderungen nie ganz klar definiert werden. Deshalb ist es besser, einfach loszulegen und einen Prototypen zu erzeugen, der erlebbar ist. Anhand dieses Prototypen und des damit verbundenen Erlebnisses des Kunden können wir uns schrittweise iterativ der gewünschten Lösung nähern.
6. Kundennutzen
Es geht nicht um schnelle Bedürfnisbefriedigung sondern um echten Nutzen. Nur das schafft langfristige Kundenbindung. Dabei geht es weniger um das perfekte Produkt als um den perfekten Match von Produkt oder Dienstleistung zu den individuellen Bedürfnissen. Diese herauszufinden, ist nicht trivial. Dafür brauchen wir entweder viele Daten (vgl. Big Data) über unsere Kunden oder viel Zeit, um ihre Geschichte zu verstehen und hinter die oberflächlich formulierten Wünsche blicken zu können.
7. Übergreifende Abstimmung
Es gibt nur wenige Projekte, die ohne Koordination mit anderen Teams, der restlichen Organisation oder den Fachabteilungen umgesetzt werden können. Im Projekt treffen deshalb oft verschiedene Kulturen aufeinander. Um diese „Kulturunterschiede“ zu überwinden, braucht es wiederum „Brückenmenschen“ und Räume für echte Begegnung.
Für die meisten Unternehmen wird die Anwendung der vorgestellten Prinzipien mit der damit verbundenen Selbstorganisation der Teams und dem Supportive Management mit einem großen Mindset-Change verbunden sein. Eine Umsetzung von heute auf morgen ist damit nicht möglich. Die Agilisierung des Projektmanagements sollte deshalb so erfolgen, das jede Organisation den für sie passenden Grad an Agilität definieren und Schritt für Schritt den Change vorantreiben kann, ohne dabei die Organisation zu überfordern. Ganz den Prinzipien folgend sollte auch hier iterativ vorgegangen, verschiedene PM-Ansätze individuell kombiniert und das Kundenfeedback kontinuierlich eingearbeitet werden.
Eines sollte dabei nie vergessen werden: Es geht nicht um klassisch oder agil, sondern darum, das bestehende Projektmanagement mit ausreichend „Agilität“ anzureichern, um den aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.
Bei der Umsetzung der Prinzipien ist dabei jeder Einzelne gefragt. Was die einzelnen Funktionen tun können, lesen Sie in unserem White Paper „Wie wirkt sich der Trend „Agilität“ auf das Projektmanagement aus?“, das Sie hier downloaden können sowie in einer Serie bestehend aus kurzen Inputs und Beiträgen zur Umsetzung in die Praxis: „Agility to Go“.