Weshalb Projektmanagerinnen noch immer gegen Windmühlen kämpfen | Dr. Andrea Hauk (Roche) im Interview

Frauen drängen ins Projektmanagement. In den nächsten zehn Jahren, das bestätigen Studien, wird es deutlich weiblicher werden. Und das ist gut so. Leider haben Frauen auf dem Weg nach oben noch immer Hürden zu überwinden, denen Männer im Laufe ihrer Karriere nie begegnen. Andrea Hauk, selbst erfolgreiche Führungskraft im Projektmanagement bei Roche Diagnostics, erklärt im Interview, woran das liegt und was Frauen anders machen sollten. Ausführlich wird Andrea Hauk als Referentin bei den » PM-Tagen 2018 über dieses Thema sprechen.

Statistiken belegen: Das Projektmanagement wird immer weiblicher. Aktuell liegt der Anteil der Master-Studentinnen bei 53 Prozent. Man kann deshalb davon ausgehen, dass in zehn Jahren der Anteil der Frauen bei 35 bis 45 Prozent liegen wird. Aktuell sind es rund 30 Prozent. Wie nehmen Sie diese Entwicklung wahr?

Dr. Andrea Hauk: Ich nehme diese Entwicklung in meinem Umfeld auch wahr, besonders unter den jungen Nachwuchskräften gibt es viele weibliche Bewerberinnen. Am gut ausgebildeten Nachwuchs hapert es also nicht. Momentan besteht aus meiner Sicht die Schwierigkeit darin, die jungen Frauen über eine mögliche Mutterschaft hinweg im Unternehmen auf guten Positionen zu halten und zu fördern. Auch wenn junge, gut ausgebildete Frauen ihre ersten Karriereschritte ohne große Diskrepanz zu männlichen Kollegen erfahren, gibt es spätestens nach der ersten Schwangerschaft den ersten Karriereknick. Arbeitet die junge Mutter anschließend dann „nur“ noch Teilzeit, kann sie die Erfahrung, die Gehaltserhöhungen und die entstehenden Netzwerke und Seilschaften im Vergleich zu den männlichen Kollegen oft nie mehr aufholen. Momentane Alternative: Keine Kinder, trotz Kinderwunsch. Aus meiner Sicht keine Option. Daher bin ich gespannt, wie sich die Zukunft entwickelt. Flexibilität (Zeit und Ort) ist hier meiner Meinung nach das Zauberwort. Wenn es gelingt, nicht nur auf dem Papier, sondern in den Köpfen der Chefs und Kollegen eine flexible Unternehmenskultur zu erreichen, schaffen es sicher viele Frauen und Männer, Familie und Arbeit in Zukunft unter einen Hut zu bekommen.

Arbeiten Frauen im Projektmanagement anders als Männer? Oder anders gefragt: Hat der Anteil der Frauen im Projekt Auswirkungen auf den Ablauf eines Projekts?

Hauk: Frauen arbeiten und verhalten sich nicht anders als Männer. Es gibt gute und schlechte Projektmanager auf beiden Seiten. Allerdings unterscheiden sich die Wahrnehmung und die Reaktionen auf die Arbeitsweise im Projektteam, je nachdem ob ein Mann oder eine Frau vor der Runde steht. Was bei Männern als „leidenschaftlich“ gilt, wird bei Frauen als „emotional“ wahrgenommen. Männer handeln „schnell“, Frauen „impulsiv“. Folgen Männer „ihrem Bauchgefühl“, handeln Frauen „irrational“. Projektmanagerinnen müssen daher, je nach Projektteam, anfänglich gefühlt gegen Windmühlen kämpfen, um sich einen „Stand“ zu erarbeiten, der es zulässt, auf Augenhöhe mit den (männlichen) Projektteammitgliedern zu kommunizieren. Daher spielt die Anzahl an Frauen indirekt schon eine Rolle: Während eine Pionierin gegen Windmühlen kämpft, ebnet sie automatisch den Weg für weitere Frauen im Projektteam, die dann viel eher respektiert und als ebenbürtig wahrgenommen werden und die „gleiche Sprache“ sprechen.

Die Praxis zeigt: Obwohl Frauen oft den höheren Bildungsabschluss haben, werden sie weniger häufig als ihre männlichen Kollegen mit der Leitung wichtiger Projekte betraut. Weshalb ziehen Frauen oft den Kürzeren und kann es sein, dass das auch ein wenig an den Frauen selber liegt? Müssten sie mehr Einsatz, mehr Engagement, mehr Durchsetzungsstärke zeigen? Oder ist das den Entscheidern in den Unternehmen geschuldet, die Männern automatisch mehr zutrauen?

Hauk: Hierzu gibt es viele Gründe und Theorien. Der Kollege mit seinen Seilschaften, die Kunst des Selbstmarketings, Leistung, Persönlichkeit und vieles mehr.

Oft stehen wir Frauen uns aber auch selbst im Weg. Womöglich liegt es daran, dass wir es von klein auf nicht gelernt haben, mit Konkurrenzsituationen umzugehen, und uns das offene Austragen von Konflikten schon im Mädchenalter abgewöhnt wurde. Wir versuchen vermeintliche Rivalinnen schlecht zu machen, um deren Wert zu mindern und gleichzeitig den eigenen Wert zu erhöhen. Anstatt an einem Strang zu ziehen, zeigen wir ein ähnliches Sozialverhalten wie in Herden lebende Pferde: Viele von uns verhalten sich bissig wie Stuten, wenn es darum geht, Kolleginnen mit wichtigen Projekten zu betrauen, sie zu promoten und zu fördern.

Einer Studie zufolge sind Frauen im Projektmanagement glücklicher als Männer. Können Sie das aus persönlicher Erfahrung bestätigen? Und wenn ja, woran liegt das?

Hauk: Nein, das kann ich nicht bestätigen. In meinem Umfeld sind Männer als auch Frauen gleichermaßen glücklich oder unglücklich, viele haben die gleichen Hürden und Herausforderungen im Projektalltag. Aus meiner Sicht kann nur glücklich im Beruf sein, wer einen Sinn in seinem Handeln sieht und Erfolge des eigenen Tuns (an-)erkennt. Nur so kann man mit Elan und Leidenschaft seiner Berufung nachgehen.

Was raten Sie jungen Berufseinsteigerinnen, die eine Karriere anstreben – auf Basis Ihrer eigenen Erfahrungen?

Hauk: Neutral gesehen, meint „Karriere“ die Laufbahn eines Menschen in seinem Berufsleben. Der Weg nach „oben“ muss hier nicht zwangsweise im Fokus stehen. Ich selbst vergleiche Karriere gerne mit dem Bild einer Treppe. Dies kann eine ebenmäßige, steil verlaufende, glatt polierte Treppe ohne Stolperfallen sein. Oder eben auch eine Treppenkonstruktion, zusammengesetzt aus ganz verschiedenartigen Baumaterialien, bestehend aus Abzweigungen, großen und kleinen Stufen, Plateaus und Übergangsmöglichkeiten zu anderen Konstrukten. Es gibt Menschen, die von Geburt an auf der glatt polierten Treppe zu wandeln scheinen. Ihnen gelingt gefühlt alles, sie erfahren Unterstützung und kommen ohne Gegenwind ihrem Ziel immer näher. Die Realität zeigt aber, dass sich die allermeisten Menschen auf der beschriebenen Treppe Nummer 2 bewegen, so auch ich. Berufsanfängern versuche ich klarzumachen, dass es wichtig ist, die eigene Treppe, und keine Kopie eines makellosen Vorbildes zu formen. Wer will schon einen 08/15 Mitarbeiter, der noch nie Herausforderungen zu meistern hatte? Ja, manche Stufen mögen hoch sein, manche steinig. Denken Sie daran, dass Sie jede Erfahrung weiterbringt, unabhängig davon, ob die Erfahrung in diesem Moment positiv oder negativ war. Solange Sie es schaffen wieder aufzustehen, ihr Krönchen zu richten, und weiterzugehen, sind sie auf einem sehr guten Weg. Sie werden in „Fallen“ tappen und daraus lernen. Hier gibt es die Frauen-typischen Bescheidenheits- und Beliebtheitsfallen oder die sogenannte Dornröschen-Falle: So wird mit Sicherheit kein Prinz vorbeireiten, der den nächsten Karriereschritt auf dem Silbertablett serviert. Da muss man schon ein wenig Selbstmarketing betreiben. Mein persönlicher Tipp: Vergleichen Sie sich nicht mit anderen, sondern finden Sie Ihren ganz eigenen, für Sie passenden Weg. Stärken Sie Ihre Stärken – statt an Ihren Schwächen herumzudoktern – und seien Sie stolz auf alles, was sie geschafft haben.

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