Weshalb Design Thinking unbedingt in die PM-Werkzeugkiste gehört | Ingrid Gerstbach im Interview

Na, auch schon von Design Thinking gehört? Wer hat das nicht, ist es doch eine der derzeit am meisten gehypten und diskutierten neuen Innovationsmethoden. Mit Ingrid Gerstbach haben wir deshalb eine ausgewiesene Expertin des Design Thinking befragt. Sie war im März bereits auf den PM-Tagen 2017 dabei und erklärt nun, wie, wann und wo es angewendet wird, weshalb die Methode prädestiniert ist, um das Projektmanagement voranzubringen, und weshalb sie darüber hinaus einen eigenen Prozess erarbeitet hat.

Design Thinking ist die derzeit meist diskutierte und gehypte Innovationsmethode. Welche Theorie steckt dahinter?

Ingrid Gerstbach: Mit dem Begriff Design verbinden viele in erster Linie die ästhetische Erscheinung von Produkten sowie deren Qualität. Allerdings geht es jedoch vielmehr darum, das menschliche Wohlergehen zu fördern. Design Thinker identifizieren dazu zunächst die Probleme, die dieses Wohlergehen stören, und suchen erst in einem zweiten Schritt eine nachhaltige Lösung dafür. Vor allem die Einstellung und die Herangehensweise, mit der Projektteams Produkte und Kundenerfahrungen entwickeln, ist maßgeblich. Der Blickwinkel eines Designers erlaubt eine neue Perspektive, die weg von der technischen Seite hin zum menschlichen Erleben führt. Unternehmen haben im Laufe der Zeit erkannt, dass technische Überlegenheit als Marktvorteil alleine nicht mehr ausreicht, sondern dass Innovation vor dem Hintergrund des sich immer schneller wandelnden globalen Wettbewerbs zu einer komplizierten und mitunter auch frustrierenden Aufgabe wurde. Um ihr Überleben zu sichern, suchten sie neue Wege.

Was ist mit Design Thinking alles möglich?

Gerstbach: Design Thinking hilft Unternehmen bei der Transformation, schärft die Strategie und macht Teams fit für unterschiedliche Herausforderungen des Arbeitsalltags. Es macht Menschen kreativ, ohne dass sie dabei die notwendige Professionalität aus den Augen verlieren, und stärkt dadurch die Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens. Mehr und bessere Ideen in kürzerer Zeit zu generieren – indem mehr Menschen involviert werden, sodass die richtigen Dinge zur richtigen Zeit passieren – das kann mit Design Thinking erreicht werden.

Ursprünglich wurde diese Methode für Produkte und Services in Stanford entwickelt. Wie kann Design Thinking im Projektmanagement angewendet werden?

Gerstbach: Design Thinking hat seinen Ursprung weit früher. Tatsächlich wurde es bereits 1973 von Robert McKim in seinem Buch „Experiences in Visual Thinking“ beschrieben und auch Bryan Lawson hatte den Prozess 1980 beschrieben. Erst 1991 fand DT den Weg in die Wirtschaft.

Obwohl Projektmanagern bereits hilfreiche Werkzeuge zur Verfügung stehen, wie Projektstrukturpläne, Gantt-Charts und verschiedene Kreativitätsmethoden, fehlen Teams häufig Mittel und Ideen, um eine innovative Aufgabenstellung zu meistern.
Design Thinking ist vor allem dann gut einsetzbar, wenn

  • die zentrale Herausforderung eines Projekts noch nicht richtig greifbar ist oder im Vorfeld schlecht definiert wurde,
  • zu wenig Informationen vorliegen und das Projektteam deswegen noch nicht mit der Lösungsfindung beginnen kann,
  • im Projekt mit Herausforderungen gearbeitet werden muss, die einen starken Bezug zu einem menschlichen Bedürfnis haben (wie die Erstellung eines guten User Interfaces), oder
  • Probleme in einem wechselnden Kontext zu betrachten und zu bearbeiten sind.

Die Königsdisziplin im Design Thinking ist, die richtige Fragestellung bzw. die korrekten Anforderungen im Projekt zu identifizieren. Das bedeutet auch, die gestellten Anforderungen kritisch zu prüfen bzw. manchmal sogar zu hinterfragen. Denn niemand gibt es gerne zu, aber Stakeholder folgen in Projekten häufig ihrer eigenen Agenda.

Sie haben mit 4×4 einen neuen Ansatz entwickelt. Wie kam es dazu und worin genau besteht diese Weiterentwicklung?

Gerstbach: Die Einteilung der ursprünglichen sechs Stufen liest sich theoretisch prima, aber ziehen meiner Erfahrung nach in vielen Projekten den Prozess künstlich in die Länge. Daher habe ich mir einen eigenen Prozess erarbeitet, den ich die 4×4 Design Thinking® Methode getauft habe. Kernelemente sind hier vier Stufen. Bezogen auf das Ursprungsmodell habe ich Verstehen und Beobachten zusammengefasst als erste Phase (Einfühlen) und auch die beiden letzten Phasen Prototyping und Testen sind zu einer zusammengelegt. Diese Einteilung entspricht mehr meiner Auffassung und Erfahrung einer praktischen Herangehensweise im Projekt. Dazu kommen noch vier elementare Grundprinzipien des Umfelds, des Mindsets und der Einführung in Unternehmen.

Kann jedes Unternehmen Design Thinking für jede Art von Projekt anwenden? Und was braucht es, um damit zu starten?

Gerstbach: Ja, meiner Meinung nach sollte Design Thinking zentraler Bestandteil eines jeden Unternehmens sein und in die Werkzeugkiste eines jeden PM gehören. Dazu braucht es vor allem den Mut, neue Wege zu gehen, die Offenheit, sich verschiedene Perspektiven wirklich anzuhören, und eine große Portion Neugierde, die Dinge aus unterschiedlichen Sichtweisen zu entdecken.

Weitere Infos unter: www.designthinking-wien.at | www.ingridgerstbach.com

Buchlink zur Leseprobe „DesignThinking im Unternehmen“ im Gabal Verlag: https://www.gabal-verlag.de/media/fs/2/9783869367262_Leseprobe.pdf

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