Praxistipps

Agility to go – Eine Frage des Mindsets

Foto eines Teams bei einer Besprechung | Empowerment

- Tiba Magazin 2018 -

Wer an Agilität glaubt, der wird Stück für Stück sein Unternehmen transformieren. Und es gibt viele Wege, wie Sie das Feuer der Agilität entfachen können.

Alexander Koschke

„Es war einmal ein Messi, der in einer total vermüllten Wohnung gewohnt hat und eines Tages beschlossen hat: ‚So geht es nicht weiter. Diese Wohnung gleicht ja einer Müllhalde. Ich brauche ein neues schönes Haus, ohne Müll, mit viel Platz und Freiräumen!!!‘. Er leiht sich Geld, verkauft seine Wohnung, baut ein neues riesiges Haus genau nach seinen Vorstellungen und beschließt, sein altes Leben ein für alle Mal hinter sich zu lassen. Aber leider, nach drei Monaten sieht es im neuen Haus genauso unordentlich und vermüllt aus wie im alten Haus und das Ganze auch noch über zwei Etagen verteilt. Der Käufer seiner alten Wohnung unterdessen hat die Wohnung entrümpeln und streichen lassen, hat ein paar neue Fenster einbauen lassen und lebt dort jetzt wunderschön entspannt mit seiner gesamten Familie.“

Wo ist der Haken? Es ist alles eine Frage des Mindsets. Genauso ist es mit der Agilität. Wer mit dem falschen Minset versucht, Agilität einzuführen, um die verlockenden Vorteile zu genießen, macht alles nur noch schlimmer. Er kann riesige Investitionen tätigen und das ganze Unternehmen auf den Kopf stellen, die Probleme bleiben dieselben.

Wer allerdings Agilität wirklich verstanden hat, wer anfängt anders zu denken, wer an Agilität glaubt, der wird Stück für Stück sein Unternehmen transformieren, obwohl oder gerade, weil er erst mal nur bei sich anfängt.

Mind Set kann man nicht von außen verändern. Man kann es nur vorleben, inspirieren und Menschen beispielsweise durch Trainings oder Pilotprojekte von dem neuen Vorgehen begeistern, so dass das Umdenken in Gang gesetzt wird. Wer Agilität einführen will, sollte sich also unbedingt an das Prinzip der Freiwilligkeit halten.

In vielen Unternehmen gibt es bereits agil denkende Leute, die nur darauf warten, gehört und wirksam zu werden. Ein erster Schritt kann sein, diese Leute endlich zu lassen, das Engagement nicht mehr zu unterdrücken, und agile Initiativen um diese Leute herum zu etablieren.

Hier in paar Ideen, die das Feuer der Agilität entfachen können:

  • Agile Community, wo sich Gleichgesinnte treffen und austauschen können. Eine Plattform im Intranet oder ein gemeinsames Frühstück einmal pro Monat sind bereits ein guter Start.
  • Wissenstankstellen bzw. Kurzschulungen zu einzelnen agilen Methoden, wo sich jeder selbst anmelden kann. Sie dauern nur 1 bis 3 Std. und stellen dadurch keine große Hürde dar, einfach mal vorbei zu schauen.
  • Agile Übersichtstrainings bzw. PM 4.0 Trainings regelmäßig auf freiwilliger Basis anbieten. Hier können verschiedene agile Methoden erlebt und die Prinzipien dahinter vorgestellt werden. In einem anschließenden Transfer, können konkrete Anwendungsmöglichkeiten besprochen und agile Initiativen gestartet werden.
  • Regelmäßiger „Open Space“ zum Thema Agilität anbieten, wo sich Experten und Interessierte austauschen können und wo Themen in selbstorganisierten Workshops vorangetrieben werden. Ein wichtiger Baustein, um agiles Arbeiten an das Unternehmen zu adaptieren und weiterzuentwickeln.

Wichtig ist bei allen diesen Maßnahmen, immer die Freiwilligkeit zu Grunde zu legen. Je mehr Freiwilligkeit, desto größer das Feuer und desto größer der Sog für andere, ebenfalls dabei zu sein.

Der Dreh- und Angelpunkt von Wertschöpfung im Unternehmen sind kleine selbstorganisierte Teams, in denen verschiedene Individuen kreativ zusammenarbeiten. Selbstorganisation funktioniert am besten, wenn die Individuen im Team freiwillig ihre jeweiligen persönlichen Stärken einbringen, d.h. wenn sie so viel „Passion“ („willingness to suffer“) haben, dass sie auch ohne Druck und Kontrolle arbeiten. Nur dann kann auf hierarchische Führung weitestgehend verzichtet werden. Daher ist Freiwilligkeit ein elementares Prinzip, um agil arbeiten zu können.

Dazu braucht man nicht nur Experten verschiedener Fachbereiche, sondern auch sogenannte „Brückenmenschen“, die in zwei oder mehreren verschiedenen Disziplinen zu Hause sind, und somit Brücken zwischen den Experten schlagen können. Menschen organisieren sich intuitiv meist mit Gleichgesinnten; daher sind solche „Brückenmenschen“ in Zeiten der Industrie 4.0, in der interdisziplinäre Teams aus Vertretern von Marketing, Entwicklung, IT, Produktion, Vertrieb etc. enger als bisher zusammenarbeiten müssen, besonders wichtig. Nur so entsteht tiefes und vernetztes Wissen gleichzeitig. Dieses Prinzip richtet sich v.a. an die HR-Abteilung in Unternehmen, die das Entstehen von Experten und „Brückenmenschen“ durch entsprechende Karrieremodelle und Maßnahmen wie Job-Rotation etc. fördern können.

Tiba hat die folgenden sieben Prinzipien erarbeitet, die Orientierungshilfe bieten und als Basis für künftige Qualifizierung von Projektteams und Führungskräften in agil arbeitenden Organisationen geben sollen:

  1. Freiwilligkeit
  2. Geschützter Raum
  3. Echtes Team
  4. Supportive Management
  5. Iterate to Wow
  6. Kundennutzen
  7. Übergreifende Abstimmung

Ziel des agilen PM ist es, die Wirtschaft wieder mehr am Menschen auszurichten. Denn nur so lässt sich die Wertschöpfung in Zeiten komplexer Umfelder und sich ständig ändernder Rahmenbedingungen optimieren.

Für die meisten Unternehmen wird die Anwendung der vorgestellten Prinzipien mit der damit verbundenen Selbstorganisation der Teams und dem Supportive Management mit einem großen Change des Mind Set verbunden sein. Eine Umsetzung von heute auf morgen ist damit nicht möglich.

Die Agilisierung des PM sollte deshalb so erfolgen, dass jede Organisation den für sie passenden Grad an Agilität definiert und Schritt für Schritt den Change vorantreibt, ohne dabei die Organisation zu überfordern. Ganz den Prinzipien folgend sollte auch hier iterativ vorgegangen, verschiedene PM-Ansätze individuell kombiniert und das Feedback kontinuierlich eingearbeitet werden.