Deshalb funktionieren Projekte trotz eines definierten Projektmanagements nicht

-Teil 1-

Die Anforderungen und Erwartungen an die Projekte in Unternehmen werden seit Jahren immer größer. So steigt bei vielen Unternehmen die Komplexität der Projekte. Neue Technologien wie beispielsweise die Digitalisierung, aber auch die verkürzten Projektlaufzeiten, sind dabei nur zwei wichtige Treiber, denen ich im Projektalltag immer wieder begegne.

Tiba Magazin – Ausgabe 1/2018

Teil 1 unserer neuen Serie zum ganzheitlichen Ansatz des zukunftsorientierten Projektmanagements beschäftigt sich mit der Frage, wie Unternehmen die Herausforderungen an die Unternehmens- und Projektkultur bewältigen können. Sebastian Schurig, langjährig erfahrener Projektmanager und Projektmanagement-Experte, betrachtet hier zunächst die Aspekte Multiteaming und High Performance sowie Projekt versus Linie.

Um den Herausforderungen zu begegnen, stecken die Unternehmen in den letzten Jahren immer mehr Aufwand in die Professionalisierung des Projektmanagements. Große Konzerne, aber auch Mittelständler haben hierzu Programme aufgesetzt und Geld investiert.

Dennoch hat sich häufig der erwartete und gewünschte Erfolg nicht eingestellt und es werden bei vielen Projekten die Ziele trotzdem nicht erreicht. Frage ich PM-Verantwortliche nach den Potentialen beim Projektmanagement, so ist häufig die erste Antwort das Thema Bedarf an besseren effizienteren Prozessen, dicht gefolgt von fehlenden oder ineffizenten Tools. Hinzu kommt, dass sich die meiste Literatur beim Thema Projektmanagement mit Methoden, Standards, Tools, der Aufbau- und Ablauforganisation beschäftigt. Trotz der vielen Definitionen, PM Standards, PM Handbücher, PM Zertifizierungen, PM Software haben sich die Erwartungen oft nicht erfüllt. Erst die Themen Agilisierung und agiles Projektmanagement bringen etwas Bewegung in die Projektmanagement Community.

Ganzheitliche Betrachtung

Meine Erfahrung der letzten Jahre: Ein wichtiger Aspekt beim Projekterfolg ist die ganzheitliche Betrachtung der Projekte und der Menschen, die im Projekt arbeiten. Viele Unternehmen führen noch immer einzelne Maßnahmen durch. So entstehen Regelwerke, die genau die notwendigen Prozesse definieren. Dennoch scheint sich keiner an den beschriebenen Prozess zu halten und die Projektperformance verbessert sich nicht. Projektleiter werden auf Zertifizierungskurse geschickt, deren Lerninhalte in der Projektrealität häufig gar nicht umsetzbar sind. Ich habe bereits häufiger erlebt, dass die punktuelle Qualifizierung zu Frust beim Projektleiter geführt hat und das ganze Projektteam demotiviert war.

Immer mehr Unternehmen suchen deshalb nach einem Weg, Projekte ganzheitlich zu betrachten. Eine der zukunftsorientierten und bewährten Lösungen ist das Tiba Vier-Achsenkreuz. Es zeigt auf, wie die vier Dimensionen (Mensch, Organisation, Prozesse &Methoden und Technologie) zusammenwirken. Dabei wird deutlich, dass sie ins Gleichgewicht zu bringen sind, damit eine effiziente Projektarbeit möglich ist. Einzelne Aktionen sollten immer auch durch die anderen Achsen betrachtet werden und so eine inspirierende Projektkultur schaffen. Der erste entscheidende Punkt dabei ist, dass das Unternehmensziel und damit (hoffentlich) auch der Projekterfolg im Vordergrund steht. Dies klingt trivial und nach „gesundem Menschenverstand“, ist es aber nicht. Denn so bemerke ich nur bei ganz wenigen Unternehmen, dass dies in die DNA des Unternehmens übergegangen ist. Viele Unternehmen sind hierarchisch und nicht projektorientiert aufgestellt.

1. Aspekt: Multiteaming und High-Performance Teams

So ist es gerade beim Punkt Mensch. Damit Projekte und somit das Unternehmen tatsächlich erfolgreich sein können, bedarf es eines leistungsstarken Projektteams. Und die Frage der Projektverantwortlichen sollte sein: Wie kann ich dem Team helfen, noch besser zu werden? Für die einzelnen Projektteams gibt es bereits zielführende Ansätze wie die High-Performance Teams. Die Menschen benötigen die notwendigen Kompetenzen. Ein sehr aktuelles Thema ist die transformationale Führung. Allerdings entsteht ein High-Performance Team nur dann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die entwickelten Kräfte auch genutzt werden können. So ist der Rahmen durch die Organisation vorgeben und/oder ggf. beschränkt. Ebenso müssen die definierten Prozesse zum Alltag der Menschen passen und diese bei ihrer Arbeit unterstützen.

Auf der anderen Seite muss ein Unternehmen das effiziente Maß zwischen Einzelprojekt und Gesamtorganisation immer wieder finden. Für ein einzelnes Projekt kann es zielführend sein, die besten Fachexperten und den besten Projektleiter Vollzeit im Projekt zu haben. Dies führt wahrscheinlich zu einer sehr guten einzelnen Projektperformance. Aber aus organisatorischer Sicht kann dies nicht zu einer optimalen Auslastung der Mitarbeiter führen. Ein Wissenstransfer zwischen den Projekten ist kaum möglich und Prozessverbesserungen werden erst spät beim nächsten Projekt umgesetzt. Geht man mit den Mitarbeitern wie mit Maschinen um, so dass man nur noch die Effizienz im Blick hat, so werden Mitarbeiter auf 15 Minuten Basis verplant.

Da Projekte aber nicht wie Maschinen funktionieren, sondern meist anders verlaufen, als am Anfang gedacht, führt dies zu einer potentiellen Überplanung der Personen. Bei vielen gleichzeitigen Projekten haben die handelnden Personen Schwierigkeiten, enge persönliche Beziehungen aufzubauen. Diese sind notwendig, damit ein Team auch Krisensituationen gemeinsam bewältigen kann. Außerdem entstehen hohe Koordinations- und Rüstkosten der Mitarbeiter.

2. Aspekt: Projekt versus Linie

Ein häufiger Grund sind Konflikte in der Matrixorganisation, ein Kampf Projekt versus Linie. Häufig erlebe ich Ziele für das Management der Linienorganisationen, die konträr zu einer erfolgreichen Durchführung von Projekten stehen.

So wird Auslastungsvorgabe der Linienorganisation vorgegeben, inklusive einer monetären Vergütung dieser Ziele, d.h. die Führungskräfte der Linienorganisation versuchen ihre Abteilung zu optimieren und eine optimale Auslastung zu erreichen. Das geschieht vor allem dadurch, dass die Mitarbeiter der Linienorganisation komplett verplant werden. Scheinbar macht dies für das Unternehmen Sinn, denn Leerlaufzeiten führen zu vermeintlich vermeidbaren Kosten. Betrachtet man das Unternehmen ganzheitlich so fällt auf, dass das Verplanen der Linie voraussetzt, dass Projektleiter genau sagen können müssen, wann wer gebraucht wird. Selten läuft ein Projekt so ab, wie es am Anfang geplant wurde. Somit ist eine Flexibilität der Linienmitarbeiter notwendig, wenn diese für das Projekt Arbeiten durchführen sollen. Diese Lücke kann teilweise durch externe Mitarbeiter geschlossen werden. Ist dies nicht möglich, z.B. durch Einkaufsprozesse, Budgets, usw., führt diese Lücke in den meisten Fällen zu einer (Um-)Priorisierung und damit zu einer Verzögerung von Projekten.

 

Lesen Sie im Teil 2 in der kommenden Ausgabe mehr zu den Aspekten fehlende Kapazität im Projekt und Fehlerkultur.

 

Lesetipps – weitere Fachbeiträge und Praxisbeispiele im Tiba Magazin online:

 

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Sebastian Schurig

Sebastian Schurig ist Leiter des Center of Competence Transformationsberatung und berät seit 15 Jahren Unternehmen verschiedener Größen und aus unterschiedlichen Branchen bei deren Transformationsvorhaben. Leidenschaftlich unterstützt er Personen, Teams und die ganze Organisation bei der Weiterentwicklung der Kompetenzen und Aufbau von organisatorischem Wissen, um Transformationen zu ermöglichen und zum Erfolg zu bringen.