Projekte – das Paradies für Konflikte

Wo unterschiedliche Charaktere und Erwartungen aufeinandertreffen, sind Konflikte unvermeidlich. Eine wahre Herausforderung an die Führungsqualität des Projektleiters

Tiba Magazin – Ausgabe 1/2017

BoxhandschuhFrüher oder später ist es soweit: Im Projektteam schwelt ein Konflikt. Sei es, weil unterschiedliche Charaktere, Arbeitsweisen und Erwartungen aufeinander treffen oder weil der Druck von außen zu hoch ist. Das Problem: Die Art der Konflikte ist dabei so vielfältig wie die Projekte selbst. Dies stellt enorme Anforderungen an die Führungsqualitäten des Projektleiters.

Unterschieden wird sowohl zwischen Paar-, Dreiecks- und Gruppenkonflikte als auch zwischen heißen und kalten Konflikten. Besonders häufig kommt es in Projekten zu Paarkonflikten. Sie treten vor allem zu Beginn eines Projektes häufig auf, da sich die Mitarbeiter neu aufeinander einstellen müssen. Dabei bringt jeder seine Erwartungen und Erfahrungen mit ein, die nun zumindest teilweise in Frage gestellt werden. Fehlende Kommunikation, das Gefühl missverstanden zu werden oder aber unterschiedliche Erwartungen an die Rollen bzw. eine einseitige Änderung der bisherigen Rollenverteilung sind hier nur einige der möglichen Ursachen.

Doch ganz gleich, worin die Ursache liegt: Jeder ungelöste Konflikt ist problematisch für das Projekt und die Mitarbeiter. Deshalb sollten Projektleiter von Anfang an aufmerksam sein und bei Bedarf sofort handeln. Denn je länger ein Konflikt schwelt, umso mehr verhärten sich die Fronten. Zudem wächst die Gefahr, dass weitere Mitarbeiter miteinbezogen werden. Deshalb gilt: Konflikte sollten so schnell wie möglich aus der Welt geschaffen werden. Dabei hilft ein Blick auf die Eskalationsstufe. Hier unterscheidet der österreichische Konfliktforscher Friedrich Glasl unterscheidet neun Stufen:

  1. Verhärtung: Die Beteiligten können den Standpunkt der Gegenseite nicht mehr nachvollziehen. Das Verhältnis ist getrübt.
  2. Debatte: Konkurrenz und Überheblichkeit prägen die Situation. Die Betroffenen verletzen sich durch Wortwahl und Gesten, wer auf den anderen zugeht wird als Schwächling angesehen. Trotzdem ist in dieser Phase durch Druck von außen noch Kompromissbereitschaft zu erreichen.
  3. Taten: Worte allein reichen nicht mehr – der „Gegner“ wird in seinem Schaffen behindert. Blockaden und Schuldzuweisungen gehören zum Alltag. Die Kontrahenten brauchen Unterstützung von außen, um den Konflikt zu beenden.
  4. Koalitionen: Die Kontrahenten suchen sich Unterstützer im Team und verhalten sich feindselig gegenüber der gegnerischen Partei. Die eigene Motivation wird positiv dargestellt, während man die anderen abwertet. Sachfragen verlieren an Bedeutung, es geht um Persönliches.
  5. Gesichtsverlust: Nun geht es nur noch um Personen, nicht mehr um Sachthemen. Entsprechend persönlich wird der Konflikt – mit dem Ziel, dem anderen zu schaden. Das eigene Verhalten wird hingegen moralisch gerechtfertigt.
  6. Drohstrategie: Das Ziel, der anderen Partei zu schaden, wird mit Drohungen kommuniziert. Es geht um Anwendung von Gewalt, um Strafen und Vergeltungsmaßnahmen. Dabei werden Ängste gezielt ausgenutzt, um eine höhere Wirkung zu erreichen.
  7. Begrenzte Vernichtungsschläge: Nun kommt auch Gewalt in den Konflikt. Jeder Erfolg gegen den Gegner wird gefeiert.
  8. Zersplitterung: Es geht ums Ganze. Der Gegner soll vernichtet werden. Raus aus dem Team, dem Unternehmen.
  9. Abgrund: Nun hat nur noch die Vernichtung des Gegners Priorität. Wenn es sein muss, setzt man dafür die eigene Existenz aufs Spiel.

Zugegeben: Die letzten Eskalationsstufen sind in der Projektarbeit eher selten. Sie sich vor Augen zu führen, macht trotzdem Sinn. Zeigen sie doch, wohin ein Konflikt zwischen zwei Teammitgliedern führen kann, wenn nicht eingeschritten wird. Wie aber lässt sich ein Konflikt lösen? Möglichst, bevor er den Beteiligten und dem Projekt wirklich schadet? Glasl schlägt für die unterschiedlichen Eskalationsstufen folgende Strategiemodelle vor:

  • Verhärtung – Taten: Moderation
  • Taten – Gesichtsverlust: Prozessbegleitung
  • Koalitionen – Drohstrategie: sozio-therapeutische Prozessbegleitung
  • Gesichtsverlust – begrenzte Vernichtungsschläge: Vermittlung/Mediation
  • Drohstrategie – Zersplitterung: Schiedsverfahren/gerichtliches Verfahren
  • Begrenzte Vernichtungsschläge – Abgrund: Machteingriff

Wichtigster Hebel zur Konfliktlösung: Kommunikation

Die Lösung eines Konfliktes erfordert also vor allem eines: Kommunikation. Und die Bereitschaft, konstruktiv mit Konflikten umzugehen. Dabei sollte immer berücksichtigt werden, dass es bei diesen Konflikten auch um Gefühle geht – beispielsweise um Wut, Enttäuschung, Trauer oder Ohnmachtsgefühle. Diese Gefühle müssen respektiert werden. Gleichzeitig geht es darum, konstruktiv nach vorn zu schauen. Dabei nehmen Projektleiter eine wichtige Rolle ein: Als Coach müssen sie den Rahmen schaffen, in dem alle Beteiligten ihre Interessen vertreten sehen und ihr Gesicht wahren können.

Je emotional aufgeladener der Konflikt ist, umso besser sollten sich Projekteiter mit den Ursachen und Hintergründen beschäftigen – und dies, bevor sie ins gemeinsame Gespräch gehen. Je nach Eskalationsstufe reicht zudem ein Gespräch nicht mehr aus – beispielsweise dann, wenn die Kontrahenten nicht mehr bereit sind, miteinander zu reden, sich gegenseitig drohen oder sich gar das Ziel gesetzt haben, den anderen aus dem Team oder dem Unternehmen zu drängen. Hier hilft ein Konfliktworkshop weiter, in dessen Rahmen beide Parteien die Chance haben, ihre Sicht der Situation darzustellen. Ziel ist es dabei, die Beweggründe der jeweils anderen Partei zu erfahren und zu verstehen, die unterschiedlichen Sichtweisen zu diskutieren sowie durch einen gezielten Perspektivenwechsel Strategien und Maßnahmen zur Konfliktlösung zu erarbeiten.

10 goldene Regeln zur Konfliktlösung

  1. Seien Sie Vorbild im Umgang mit anderen. Zeigen Sie Respekt und Toleranz bei Fehlern und Missgeschicken
  2. Räumen Sie dem Thema Kommunikation genügend Zeit ein und schaffen Sie ein Klima, in dem offene Kommunikation möglich ist
  3. Investieren Sie am Anfang Zeit in das Teambuilding – beispielsweise durch gemeinsame Erlebnisse
  4. Halten Sie Augen und Ohren offen – im persönlichen Dialog ebenso wie in Meetings. Sprechen Sie Teammitglieder offen an, wenn Sie das Gefühl eines sich anbahnenden Konfliktes haben
  5. Entwickeln Sie einen siebten Sinn und spüren dem Klima in Ihrem Team immer mal wieder nach
  6. Bleiben Sie fair. Behandeln Sie alle Teammitglieder gleich – auch wenn Ihnen jemand sympathischer ist als andere
  7. Loben Sie begründet. Dies spornt nicht nur den Gelobten an, sondern verhindert auch den Eindruck von bevorzugten Mitarbeitern
  8. Gehen Sie Konflikten nicht aus dem Weg. Jedes Wegschauen führt nur zu einer weiteren Eskalation.
  9. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter nicht mit dem Konflikt allein. Als Führungskraft sind Sie gleichzeitig Coach, der auf sachlicher Ebene aktiv an der Lösung mitwirkt
  10. Lassen Sie sich nicht vereinnahmen und bleiben Sie unparteiisch. Ganz gleich, worum es geht – es ist nicht Ihr Konflikt.

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Portrait Autor

Cornelia Wüst

Geschäftsführerin Tiba Coaching GmbH

Email: redaktion(at)tiba.de

Cornelia Wüst verbindet aus über 28 Jahren Beratung und Coaching für internationale Kunden praktische Wirtschafts- und Kommunikationskompetenz mit den Kompetenzen aus der Humanistischen Psychologie und Psychosomatik. Als Diplom Betriebswirtin verfügt sie über zahlreiche Weiterbildungen und überzeugt vor allem durch die breite und langjährige Aus- und Weiterbildung als auch praktische Felderfahrung als Unternehmerin, Führungskraft, Managerin, Beraterin, gefragte Kommunikationsstrategin sowie Coach und Workshop-Leiterin in der Führungskräfte- und Teamentwicklung.