Führung 4.0 – Auf was sich Führungskräfte einstellen müssen

Ob im Berufs- oder Privatleben: in Zeiten der Digitalisierung scheint sich die Welt immer schneller zu drehen. Entwicklungen werden rasanter, sie drohen uns mitunter zu überholen. Industrie 4.0 – ein Begriff, der kaum dass er auftaucht, schon reale Züge annimmt. Der Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft wird immer spürbarer, immer erlebbarer. Einerseits bringen uns neue Technologien neue Chancen, andererseits stellen sie eine Bedrohung für uns als Menschen dar, uns den Rang abzulaufen. Zahlen wir einen Preis für diesen Wandel oder gestalten wir unsere Zukunft neu? Und wie gehen wir mit ungewissen Variablen der Zukunft um? Und die Hauptfrage: Wie stellen sich Führungskräfte darauf ein? Wir sind mitten in einer Kulturrevolution. Das erklärt Cornelia Wüst, Geschäftsführerin der Tiba Coaching.

Im täglichen Coaching von Führungskräften erfahren wir von so manchen Tabu-Brüchen, die in der klassischen Führungsebene bislang undenkbar waren. Vorstände tauschen Schlips und Sakko gegen Jeans und Turnschuhe, es wird sich quer über alle Ebenen geduzt, ältere Mitarbeiter lassen sich von jüngeren Kollegen erklären wie Snapchat oder Trello funktionieren, Führungskräfte bloggen und vergeben ‚Likes‘ an ihre Mitarbeiter. Einzelbüros werden in loftartige, moderne Arbeitsflächen umgebaut – mit bunten Sitzecken.

Unsere Arbeitswelt ist nicht komplizierter, sondern nur komplexer geworden; die klassische Führungskraft muss sich wandeln. Die Digitalisierung verändert die Spielregeln in der Zusammenarbeit. Ade starre Hierarchien; das verunsichert viele Führungskräfte und Mitarbeiter.

Die neue Arbeitswelt wird kurz mit VUCA umschrieben und ist selbsterklärend: Volatility, Unsecurity, Complexity, Ambiguitiy. Durch ihre Volatilität – also ihren dynamischen, kraftvollen und konstanten Wandel – kreiert sie Ungewissheit, die ein Maß an Kontrolle und Berechenbarkeit vermissen lässt. Gleichzeitig wird unsere Technologie zunehmend komplexer; die Vernetzung erzeugt häufig einen nicht einholbaren, verwirrenden Vorsprung. Diese Komplexität gibt uns Rätsel auf und stellt uns in der realen Welt vor die Frage nach der richtigen Planung. Die Antworten, die uns die Technik liefern sollte, sind so mehrdeutig (Ambiguität), dass wir uns vor Missdeutungen und Fehlinterpretationen fürchten. Wissen, das eigentlich bereichern und im Entscheidungsprozess hilfreich sein sollte, befähigt uns nicht länger automatisch zum Handeln oder zur Voraussicht.

Leadership 4.0 erwartet eine Vorliebe für soziale Medien, denn sonst ist kein Führen aus der Ferne möglich. Dadurch entsteht eine völlig neue Kultur in der Zusammenarbeit. Es geht nicht mehr um Macht und Kontrolle, sondern um Führen in flachen Strukturen – auf Augenhöhe. Offenheit, Kommunikationskompetenz, Agilität, Partizipation auf Augenhöhe und Vernetzung heißt die neue Währung der Motivation für bessere Ergebnisse.

Vernetzung: ein Begriff, der heute kaum treffender unsere Gesellschaft und unser Arbeitsleben charakterisiert. Ob in den sozialen Netzwerken, im Bereich der Technologien und Datenbanken oder der Nutzung von Synergien am Arbeitsplatz – kaum einer entgeht den Auswirkungen dieses Trends. Wir vernetzen uns, weil wir uns davon mehr Input, mehr Bestätigung erhoffen. Doch irgendwann kann Vernetzung auch so komplex werden, dass wir uns verheddern und nicht länger zielgerichtet handeln. Daher braucht es ein begrenztes Maß an Vernetzung, das sich positiv nutzen lässt und uns dennoch Raum zum Durchatmen gibt. Teamarbeit ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Faktor, der gezielt die Stärken der Teammitglieder zu einem gemeinsamen Ergebnis führt und so ein Musterbeispiel von Vernetzung der Kompetenzen ist. Gerade deshalb sind es auch nicht länger Solitär- sondern Team-Boni, die zeitgemäß die Herausforderungen des aktuellen Arbeitslebens spiegeln.

Für die Führungskräfte von heute bedeutet dies verstärkt, ihre sozialen und empathischen Kompetenzen zu entwickeln. Die werden nämlich den Erfolg der Führungskraft unterstützen: Zuhören, Feedback-Kultur, Wertschätzung, Verzicht auf Machtdemonstrationen, kollaborativer Austausch, etc. Es braucht nicht nur neue Denkmodelle, sondern ein komplett neues Mindset. Für Führungskräfte heißt das permanentes Lernen. Vertrauenskultur führt zur Innovationskultur, Wissensvorsprünge werden vergemeinschaftet, über Flops lernen sie, sich zu freuen, da etwas ausprobiert wurde.

All diese drei Trends – VUCA, Vernetzung, Team- vs. Solitärboni – sie werden von Führungskräften künftig insbesondere Weitsicht, einen beständigen Wertekanon und systemischen Ansatz erfordern. Sodass die Furcht vor der VUCA-Welt und der intensiven Vernetzung einem spannenden Anreiz weicht, der zwar nicht immer vorhersehbar aber somit auch impulsgebend sein kann. Diese Herausforderung im Team zu meistern und dafür gemeinsam die Früchte zu ernten – auch das ist eine Entwicklung, die immer anerkannter und entsprechend vergütet wird. Die Anerkennung, wie wichtig Teamarbeit mit entsprechend qualifizierter Führung ist, kann uns helfen, die Zukunft nicht als Opfer sondern vielmehr als Gestalter in Angriff zu nehmen.

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