Dass Projektleiter keine Verantwortung übernehmen, ist eine Schande für unsere Zunft | Till H. Balser im Interview

PRESSEMITTEILUNG DER TIBA MANAGEMENTBERATUNG

München, 02.03.2018 – Der bereits durch erlassene Gesetze entstandene Handlungszwang ist der perfekte Anlass, sich dem Thema Nachhaltigkeit nun auch aus Projektmanagement-Sicht zu widmen und wichtige Lücken in der PM-Praxis zu schließen. Denn es geht darum, Verantwortung zu übernehmen – für Projekte und eine bessere Zukunft, für die Umwelt, die Gesellschaft und den nachhaltigen Profit.

Im Interview verrät Till H. Balser, Geschäftsführer der Tiba Managementberatung und Mitglied des Bundeswirtschaftssenats BVMW, was das genau bedeutet. Feststeht: Es geht um viel mehr als Papier- und Stromverbrauch.

Wenn Sie noch mehr zum Thema erfahren wollen, besuchen Sie uns doch auf den » PM-Tagen 2018. Gleich in der Eröffnungskeynote verrät Herr Balser weitere Details und die neuesten Erkenntnisse dazu. 

 

Mit dem Motto „SUSTAIN.ABILITY“ widmen sich die PM-Tage 2018 einem aktuellen Thema, das im Projektmanagement noch kaum eine Rolle spielt. Welche Bedeutung hat der Begriff in Bezug auf Projektmanagement?

Till H. Balser: Zunächst geht es um Vorgaben, die ein Projektleiter aus Sustainability-Gesichtspunkten berücksichtigen sollte. Dabei geht es um die 3 Ps: People, planet, profit. Ein Manager muss sich den Sustainability-Themen verschreiben und menschenschonend, planetenschonend und ökonomisch schonend agieren.

Worum es mir persönlich allerdings geht, reicht viel weiter. Ich sage: ein Projektleiter hat auch die Verantwortung für die Zeit danach. Hier möchte ich den Grenfell-Tower in London als Beispiel nehmen. Am Anfang stand ein Projekt, an dessen entscheidenden Stellen Fehlentscheidungen getroffen wurden. Fehlentscheidungen können bei Großprojekten wie diesen zu Desastern führen. Die sind hier jeweils in der Nach-Projektphase geschehen. Mir geht es beim Sustainability-Gedanken darum, dass Projektleiter auch eine Verantwortung über das Projektende hinaus behalten. Ich befasse mich deshalb mit der Frage, wie man diese Verantwortung stärken und formal regeln kann.

Das Problem: Diese Skandale sind juristisch nicht aufklärbar. Für Projektergebnisse gibt es aber nur zwei Verantwortliche: Den Projektleiter für die Zeit bis zum Projektende, und danach einen definitiven Projektauftraggeber. Und zwischen beiden muss es eine klare Schnittstelle der Projektübergabe geben. Dabei muss der Projektleiter in einem Sustainability-Bericht mitteilen, welche Risiken bestehen. Der Auftraggeber muss diese Risiken wiederum übernehmen oder das Projekt verlängern bis die Risiken beseitigt wurden. Ob absichtlich oder unabsichtlich, sind diese Verantwortlichkeiten leider nie geregelt. Dass Projektleiter keine Verantwortung übernehmen, ist eine Schande für unsere Zunft.

 

Werden Projektleiter diese Verantwortung übernehmen wollen? Wo sie sich sowieso schon aufreiben zwischen Zeit-, Kosten- und Qualitätsdruck…

Balser: Meiner Meinung nach sollte es darum gehen, dass Projektleiter ein Projekt abgeben und sich danach sicher sein können, formal komplett entlastet zu sein. Deswegen muss sich ein Projektleiter moralisch und ethisch der Verantwortung für die Zeit danach stellen. Ich möchte dahin kommen, dass ein Projektleiter dies freiwillig tut. In einem Sustainability-Report listet er Risiken auf, was er getan hat für die Welt danach, aber auch wo er Risiken sieht. Der Auftraggeber muss das formal abnehmen und von diesem Zeitpunkt an jedwede Risiken tragen.

 

Wie viel Einfluss haben Projektleiter denn tatsächlich auf die entsprechende Gestaltung ihrer Projekte? Oder anders gefragt: Wer sollte noch die Verantwortung übernehmen? Braucht es einen Nachhaltigkeits-Beauftragten ebenso wie es Digital-Experten gibt?

Balser:

In jedem Fall! Dabei darf es jedoch nicht nur – wie es momentan der Fall ist – um Fragen wie den Papier- oder Stromverbrauch gehen. In Projekten ist das Thema bisher nicht bekannt und nicht berücksichtigt worden. Stattdessen gibt es Stabsstellen, die sich dem Thema annehmen. Notwendig ist jedoch ein Sustainability-Manager für Projektarbeit, zentral aufgehängt, gerne in einem zentralen PMO. Seine Aufgabe sollte es sein, Projekte zu beraten und Projektleiter zu schulen. Bisher wird all das nicht gemacht. Mein Anliegen ist es, das Projektmanagement in diese Richtung zu treiben.

 

Projekte sollen heute agil sein. Doch ist agiles und gleichzeitig nachhaltiges Projektmanagement nicht schwer vereinbar? Verhindern Dynamik und Flexibilität nicht auch ein Stück weit den Fokus auf Sustainability?

Balser: Das ist durchaus richtig. Geht man von people, planet, profit aus und hat man Projekte, die in die Natur eingreifen – beispielsweise eine ICE-Trasse –, dann ist Agilität nur bedingt umsetzbar. In diesem Fall muss man einen Gesamtplan haben, alles bis ins Kleinste durchdacht. Agiles Vorgehen ist vor allem bei Innovationsprojekten angesagt, also immer dann, wenn man nicht weiß, wie es enden wird.

Andererseits ist der Faktor Mensch in Projekten wichtig. Entsprechend muss mit Menschen umgegangen werden. „Schone den Menschen“ ist ebenso wichtig wie „schone den Planeten“. Selbstverantwortung und Teamwork sind hier weitere Schlagworte. Dementsprechend geht es bei Agilität nicht nur um Regularien, sondern vor allem um Bewusstseinsbildung. Es geht um die Stärkung der Verantwortung in den Projekten.

 

Brechen wir das Ganze doch auf ein Einzelprojekt herunter: Was wären kleine Maßnahmen, die Projektleiter einführen und umsetzen können?

Balser: In Bezug auf die Umsetzung kann man Projektleitern eine Checkliste an die Hand geben. Was den Profit anbelangt, bildet das magische Dreieck eine gute Basis. In Sachen Profitabilität ist es zudem wichtig, den Business Case einzuhalten. Das Commitment gegenüber Unternehmen und Gesellschaft sorgt dafür, dass nicht unnötig Ressourcen verbraucht werden. In Bezug auf den Planeten muss sich ein Projektleiter zudem immer wieder hinterfragen. Beispielsweise: Ist es nötig, bestimmte Teile in China anfertigen zu lassen, statt im Bayerischen Wald? In Projekten darf es nicht mehr ausschließlich um den Preis gehen, Projektleiter müssen hier Spielraum haben.

Doch eigentlich geht es mir um die Zeit danach. Hier möchte ich, dass Projektleiter die Möglichkeit haben, Sustainability-Checks durchzuführen. Sie sollen regelmäßig prüfen, was ein Produkt für die Zeit danach bedeutet. Damit sollen Pannen ausgeschlossen werden, die Konzerne im Zweifel im Nachhinein Milliarden kosten.

 

Dies ist eine verkürzte Fassung des Interviews mit Herrn Balser. Die ausführliche Version lesen Sie auf dem Tiba Blog.

 

Über Tiba 

Die Tiba Managementberatung ist die führende Gesellschaft der Tiba-Gruppe. Sie hat sich auf Beratung und Training rund um das Thema Projektmanagement, Change Management und Prozessmanagement spezialisiert. Zudem unterstützt das 2016 gegründete Kompetenz Center Digitale Transformation mit Beratung, Dienstleistung und Bereitstellung von Ressourcen Unternehmen auf dem Weg ins digitale Business.

Seit der Gründung vor fast 30 Jahren wurden über 400 Unternehmen beraten und circa 65.000 Personen trainiert. Zu den Kunden der Tiba zählen Unternehmen aus den Branchen Pharma, Automotive und Logistik, Energieversorgung, Luft-/Raumfahrt, Finanzdienstleistung, Maschinen- und Anlagenbau sowie IT und Telekommunikation. Die Tiba Gruppe hat Gesellschaften in Deutschland, Spanien und in den USA. Mit Projektmanagement-Experten und Partnern aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen ist die Tiba eines der führenden Beratungsunternehmen für Projektmanagement in Deutschland, mit ihrem weltweiten Partnernetzwerk unterstützt Tiba als globaler Projektmanagementpartner viele weltweit agierende Unternehmen.