Projektmarketing für Bauprojekte – Hier geht noch mehr!

Denken wir in Deutschland an größere Bauprojekte, stellt sich bei den meisten von uns ein eher negatives Gefühl ein: Als Paradebeispiel sei der Berliner Flughafen oder Stuttgart 21 genannt. Man vermutet Inkompetenz, schlechte Planung und jedenfalls eine riesige Menge verschwendetes Geld – Wieso Marketing, genauer gesagt Projektmarketing, der Schlüssel für den Erfolg von Bauprojekten und in unterschiedlichster Weise hilfreich sein kann, lesen Sie in diesem Artikel.

– Tiba Magazin 2022 –

Marketing in Zeiten der Digitalisierung

Das Marketing hat sich von der Litfaßsäule und den Anzeigen in der Tageszeitung hin zu aufwendig gedrehten Werbefilmen und Pop-Up Anzeigen im Internet verändert. Heutzutage können wir unsere Produkte und Leistungen bestmöglich durch SEO-Texte und passende Keywords im Internet präsentieren. Dadurch können in kürzester Zeit neue Zielgruppen und Kund:innen erreicht werden. Das Zeitalter der Digitalisierung ist intelligenter, raffinierter und auch aggressiver als in der Vergangenheit. Heutzutage gilt: Das Internet muss der bevorzugte Aufenthaltsort von Marketingmaßnahmen werden und die Nutzung von Marketingtools wie Webseiten, Social Media oder E-Mail-Kampagnen ist unabdingbar (Marti, 2021).

Die Bedeutung von Projektmarketing

Projektmarketing gilt als Instrument der Projektkommunikation und ist somit ein wesentlicher Bestandteil des Projekt- und Change-Managements. Projektmarketing hilft dabei, den für den Projekterfolg notwendigen Informationsfluss zu steigern und aufrecht zu erhalten. Ein Projekt wird dabei werblich intern als auch extern präsentiert. Somit werden alle Stakeholder von Beginn an mit allen notwendigen Informationen versorgt. Denn der Erfolg eines Projekts steht und fällt mit der Akzeptanz der wesentlichen Stakeholder. Des Weiteren werden durch Projektmarketing die notwendigen Finanzmittel und Ressourcen zur Abwicklung des Projektes gesichert und die Vermarktung der mit dem Projekt angestrebten Ergebnisse vorbereitet. Somit ist Projektmarketing für jeden Projekttyp wichtig und für den nachhaltigen Projekterfolg entscheidend – ganz egal, ob es sich um die Entwicklung eines neuen hochfunktionalen IT-Systems innerhalb bestehender Strukturen oder um ein öffentlich wirksames Bauvorhaben handelt (Weber, 2021).

Ziele des Projektmarketings

Um zu verstehen, warum Projektmarketing besonders bei Bauprojekten entscheidend ist, müssen wir vorab die generellen Ziele des Projektmarketings kennen.
Im Kern zielt das Projektmarketing darauf ab, den strategischen Projekterfolg zu gewährleisten und die vorgegeben Projektziele zu erreichen (Giesler, 2005). Darüber hinaus zählen folgende Punkte zu den Zielen des Projektmarketings:

  • Verkauf der Projektidee
  • Betroffene zu Beteiligten machen
  • Identifikation aller Beteiligten mit dem Projekt und den Projektzielen
  • Unterstützung wichtiger Entscheider:innen
  • Informationen zum Projektfortschritt durch zielgruppenspezifische Kommunikation
  • Transparente und vertrauensvolle Durchführung von Maßnahmen
  • Einbindung von Kundinnen und Kunden zur Verbesserung der Marktpräsenz
  • Zielerreichung demonstrieren

Durch Projektmarketing können die Projektergebnisse – besonders bei öffentlich wirksamen Projekten – verbessert werden. Auf Grund regelmäßigen Informationsaustausches, durch eine angemessene Kommunikationsstrategie, fühlen sich alle relevanten Stakeholder im Projekt informiert. Mit einem einheitlichen Projektdesign kann das Projekt, die daran beteiligten Menschen und das gesamte Unternehmen gestärkt werden (Weber, 2021).

Die Baubranche im Wandel

Die Baubranche befindet sich in einem elementaren Wandel – das Bauwesen im 21. Jahrhundert muss auf die Urbanisierung eingehen, die neue Herausforderungen mit sich bringt. Besonders in den Schwellen- und Drittländern wachsen Städte rasant zu Multimillionenmetropolen, ganze Städte werden aus dem Boden gestampft. Hierzulande geht es aufgrund des bereits hohen Urbanisierungsgrades aber um die Optimierung bestehender Strukturen: Der Kern, Infrastruktur und Gebäudebestand, ist bereits gegeben. Aufgrund geringer Fläche muss also planerisch umgedacht werden. Die Nachverdichtung, also An- und Weiterbau und die Umnutzung von Gebäuden ist die Strategie für den effizienten Städtebau. Daneben müssen Städte aber immer noch der Ort für Innovationen und kreativen Austausch bleiben. Die Lebensqualität muss erhalten werden, um politische und soziale Stabilität nicht zu gefährden (Zukunftsinstitut, 2021).

Bei all dem muss die Baubranche, die immer lautere Nachfrage nach Nachhaltigkeit und Energieeffizienz bedienen, welche durch den Klimawandel unumgänglich wird (Szabo, 2018). Für Investoren und Bauunternehmer muss sich Nachhaltigkeit jedoch auch finanziell lohnen – oft entsteht hier eine große Kluft zwischen Erwartungen und Realität. Die Themen des nachhaltigen, ökologischen, energieeffizienten Bauens sind mittlerweile nicht mehr weg zu denken und stehen auf Tagesordnungspunkt 1. “Nachhaltig zu bauen heißt, energieeffizient zu bleiben und dabei Kosten… zu sparen” (ebd.). Wichtigster Faktor ist hierbei die Vermeidung von Fehlern während des Baus, die ansonsten kosten- und energieintensiv behoben werden müssten (ebd.).

Dabei ergibt sich nun folgendes Problem: Laut einer Studie von „BauInfoConsult“ (beruhend auf über 660 Interviews mit Bauunternehmern, Architekten, Herstellern aus der Bau- und Installationsbranche etc.) lagen die Fehlerkosten der Baubranche in Deutschland im Jahre 2020 bei schwindelerregenden 18,3 Milliarden Euro. Die befragten Bauakteure schätzten, dass die Fehlerkosten im Jahr 2020 etwa 12,8 % des gesamten Baubranchenumsatzes in Deutschland ausgemacht hätten (BauInfoConsult, 2022/1).

Immerhin: Die Schätzung des Fehlerkostenanteils für das Jahr 2021 liegen bei 16,5 Milliarden Euro. Dies stellt jedoch weiterhin einen hohen Wert dar (BauInfoConsult, 2022/2).

Neben Fehlern bei Planung und Bauleitung wird mangelhafte Kommunikation bei Absprachen als eine der häufigsten Fehlerursachen genannt. Ursächlich hierfür seien wiederum Zeitmangel, unklare Verantwortlichkeiten und mangelnde Koordinationsfähigkeit der Beteiligten (BauInfoConsult, 2022/2). Diese Fehlerquellen werden schon seit Jahren beständig als Hauptprobleme angegeben (Szabo, 2018).

Projektmarketing für Bauprojekte

Betrachtet man diese Ursachen und Gründe, scheint Projektmarketing ein sehr gutes Mittel zu sein, um – besonders bei Bauprojekten von großem öffentlichem Interesse – unnötige Kosten einzusparen: Insgesamt zielt Projektmarketing vom Standpunkt der Bauwirtschaft darauf ab, eine erhöhte Planungssicherheit und die optimierte reale Durchführung von Bauvorhaben durch ein gut strukturiertes Kommunikationsverfahren zu erreichen. (Semmler, 2020)

Genauer zielt das Projektmarketing bei Bauprojekten unter anderem darauf ab, Reibungen zu vermeiden, die zu Verzögerung führen können, indem die Öffentlichkeit von Beginn an professionell über das Projekt informiert, bzw. sogar mit einbezogen wird. Hierdurch wird die Chance, dass das Projekt akzeptiert wird, erhöht. Langwierige Streitereien und daraus folgende Verzögerungen könnten vermieden werden. Die öffentliche Zustimmung, die ihrerseits wieder die Haltung der Politik bzw. der Behörden beeinflusst, muss bei großen Bauprojekten beachtet werden, um Zeit – und damit Geld – durch mögliche Proteste oder gar spätere Baustopps zu vermeiden (Jodl, Stempkowski & Kovar, 2003).

Auch in der Planungs- und Bauphase scheinen Konflikte und Streitereien bezüglich getroffener Absprachen quasi unvermeidlich: Dabei spielen die hohe Anzahl von Akteuren und der gestiegene Termin und Preisdruck eine Rolle (BauInfoConsult, 2020). Hier kann das Projektmarketing gezielt und “hauptberuflich” die Beziehungen zu und zwischen den Stakeholdern gestalten, um Interessen in Einklang zu bringen und Verständnis und Akzeptanz zu schaffen. Damit könnte das Projektmarketing einen wertvollen Beitrag zur internen Koordination beitragen. Bei der direkten Ausführung von Projekten sind zudem oftmals niemand mit ausreichender Marketing-Kompetenz vor Ort, der in Kontakt mit Anwohnern und den Medien tritt. Damit wird das Projekt oftmals „falsch“ an die Öffentlichkeit getragen. Insgesamt könnte das allgemein schlechte Image, das einzelne Großprojekte von Anfang an überschattet, durch klare und transparente Kommunikation verbessert werden (Jodl, Stempkowski & Kovar, 2003).

„Tue Gutes und rede darüber“ ist hier der Schlüssel. Leider positionieren sich nur wenige Bauunternehmen auf dem Markt nach Außen aktiv mit einem roten Faden (Rau, 2019).

Projektmarketing sollte dabei aber nicht als ein Instrument missverstanden werden, um heikle Bauprojekte hübsch zu verpacken und an der Öffentlichkeit oder anderen Stakeholdern vorbeizuschleusen. Im Gegenteil: Alle Stakeholder haben das Recht, dass sie Informationen erhalten und ihre Sorgen ernst genommen werden, es geht gerade um die Einbindung auch potenzieller Gegner des Bauvorhabens (Jodl, Stempkowski & Kovar 2003/2). Bei genauerer Recherche wird klar, dass viele Bauunternehmen noch nicht das Potenzial der heutigen Medien erkannt haben. Die Webseiten sind oft veraltet und nur bedingt aussagekräftig. Dabei hat gerade die Baubranche die Möglichkeit diverse Kanäle mit spannenden Themen und Geschichten zu bespielen und somit viele Zielgruppen erreichen zu können. Eine Umfrage ergab, dass unter 302 Entscheidern in mittelständischen Bauunternehmen (ab 20 Mitarbeiter:innen, oder ab mind. 3 Mio. Euro Jahresumsatz), nur 9 % Marketing insgesamt als „wichtig“ erachten. Die große Mehrheit der Unternehmen investierten dementsprechend weniger als 0,5 % ihres Umsatzes in die Kommunikation (BRZ-Studie, 2012).

Fazit

Der Berliner BER ist sicherlich das prominenteste Beispiel für schlecht laufende Großprojekte, aber auch Stuttgart 21 oder der Bau der Elbphilharmonie würden wohl wenige als absolute Erfolge auffassen. Gutes Projektmarketing könnte bei zukünftigen ähnlichen Großprojekten eine wichtige Hilfe sein. Das Potential zur Kostenersparnis durch bessere Kommunikation und – daraus folgend – Koordination und öffentlicher Zustimmung wird von vielen Bauunternehmen aber nicht ausreichend erkannt und genutzt.

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Literaturverzeichnis:

BRZ Deutschland GmbH Organisation und Bauinformatik Studie (2012) Marketing und Vertrieb in Bauunternehmen. Status quo und Perspektive. Aufgerufen unter: BRZ-Studie_Marketing_Vertrieb_Bauunternehmen.pdf (ubbo.ch) am 8.09.2022.

Giesler, H. (2005): Projektmarketing- Chance und Herausforderung. In: Input, Zeitschrift für die Wirtschaft, Nr. 2/05, S. 14-18.

Jodl, H., Stempkowski, R, Kovar, A. (2003). Strategisches Umfeldmanagement. Neue Konzepte für die erfolgreiche Umsetzung von Projektmarketing bei Infrastrukturprojekten. In: Netzwerk Bau Nr. 02/03 S. 38-47. Aufgerufen unter: https://www.stempkowski.at/wp-content/uploads/2015/04/NWB02_Strategisches-Umfeldmanagement.pdf am 7.09.2022 (zitiert: Jodl/Stempkowski/Kovar 2003/1).

Jodl, H., Stempkowski, R., Kovar, A. (2003). Eine Analyse des Marketings in der Bauwirtschaft. Aufgerufen unter:  https://www.stempkowski.at/wp-content/uploads/2015/04/%C3%96IAZ_Marketing-in-der-Bauwirtschaft.pdf am 6.09.2022. (zitiert: Jodl/Stempkowski/Kovar 2003/2).

Marti, C. (2021). Was bedeutet Marketing im 21. Jahrhundert? DasKomma, aufgerufen unter: https://daskomma.com/was-bedeutet-marketing-im-21-jahrhundert/ am 8.9.2022.

Pressemitteilung BauInfoConsult (2022): Fehlerkostenbilanz 2020: Rund 18 Milliarden Euro verbauter Schaden. Aufgerufen unter:  https://bauinfoconsult.de/presse-fehlerkostenbilanz-2020-rund-18-milliarden-euro-verbauter-schaden/ am 7.09.2022 (zitiert: BauInfoConsult 2022/1).

Pressemitteilung BauInfoConsult (2022). Fehlerkosten am Bau in 2021 mit rund 16,5 Milliarden immer noch zu hoch. Aufgerufen unter https://bauinfoconsult.de/presse-fehlerkosten-am-bau-in-2021-mit-rund-165-milliarden-immer-noch-zu-hoch/ am 7.09.2022 (zitiert: BauInfoConsult 2022/2).

Rau, H. (2019). Imageproblem in der Bauwirtschaft: Baue Gutes – und rede darüber. ABZ Allgemeine Bauzeitung. Aufgerufen unter https://allgemeinebauzeitung.de/abz/imageproblem-in-der-bauwirtschaft-baue-gutes-und-rede-darueber-32881 am. 7.9.2022.

Semmler, T., Schneiders, A. (2020) Gute Kommunikation und Steuerung führen Großprojekte zum Erfolg. Aufgerufen unter: https://www.jll.de/de/trends-and-insights/investoren/grosse-bauprojekte-pannen am 8.09.2022.

Szabo, T. (2018). Nachhaltiges Bauen: Statistiken, Trends und Lösungen. Aufgerufen unter: https://www.planradar.com/de/nachhaltiges-bauen/ am 7.9.2022.

Weber, Bi. (2021). Projektmarketing . Die am meisten unterschätzte Disziplin in der Projektarbeit. Fachpublikation. Tiba Management Beratung GmbH.

ZukunftsInstitut (2018). Urbanisierung: Die Stadt von morgen. Aufgerufen unter: https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/urbanisierung-die-stadt-von-morgen/ am 6.09.2022.

Autor:in

Portrait Autor

Vivien Dost

Vivien Dost ist Projekt Marketing Managerin und zertifizierte Change Managerin. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre und verfügt über eine langjährige Projekt- und Marketing-Erfahrungen. Darüber hinaus leitet sie die CRM-Marketing-Automation sowie weitere interne Projekte. So hat Vivien in den letzten Jahren diverse Projektmarketing Themen vorangetrieben.