Das Einmaleins der Führung im Projekt

-Praxistipps-

Führung im Projekt folgt besonderen Regeln. Ohne direkte Weisungsbefugnis und in ständigem Wettbewerb mit anderen Projekten müssen Projektleiter die richtigen Mitarbeiter auswählen und ihre Motivation stärken, um das Projekt erfolgreich abschließen zu können.

Tiba Magazin – Ausgabe 1/2018

Projektteams sind ein anspruchsvoller Mikrokosmos, der seinen eigenen Regeln gehorcht. Eine der ersten und wichtigsten Aufgaben als Projektleiter ist es dabei, ein Team zusammenzustellen, das dabei hilft, das magische Dreieck des Projektmanagements auszubalancieren. Es braucht also Mitarbeiter, mit deren Unterstützung ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Termin, Mitteleinsatz / Kosten und Qualität gewährleisten werden kann.

Praxistipp 1: Erstellen Sie ein Anforderungsprofil

Bei der Auswahl der richtigen Projektmitarbeiter helfen folgende Fragen

  • Welche Aufgaben müssen konkret während des Projektes bewältigt werden?
  • Welche fachlichen Qualifikationen sind dazu nötig?
  • Können Zusatzqualifikationen zum Erfolg des Projektes beitragen?
  • Welches weitere Know-how, wie z. B. Wissen über Vorschriften oder geplante Gesetzesänderungen, spielt neben den fachlichen Fragen eine Rolle?
  • Welche Erfahrungen sind hilfreich?
  • Welche Soft Skills sollte der Teammitarbeiter mitbringen?

Diese Fragen helfen dabei, ein Anforderungsprofil ähnlich einer Stellenausschreibung zu formulieren und sich eine möglichst genaue Vorstellung von den Wunschkandidaten zu machen.

Sprechen Sie mit Führungskräften, Abteilungs- und Teamleitern über Ihre Wunschkandidaten – natürlich nur, soweit Sie damit keine Verschwiegenheitsverpflichtung verletzen. Auf diesem Weg nutzen Sie die persönlichen Netzwerke, die trotz aller Digitalisierung in der Regel immer noch besser über Hard und Soft Skills der Kolleginnen und Kollegen informiert sind als jedes soziale Netzwerk.

Fachliche Qualifikationen sind dabei eine wichtige Voraussetzung für den Projekterfolg. Sie allein reichen jedoch nicht aus. Denn was hilft alles Wissen, wenn es aufgrund von fehlenden Ressourcen nicht ins Projekt eingebracht werden kann? Beispielsweise, weil der gewünschte Mitarbeiter bereits fünf weitere Projekte mit höchster Priorität hat? Oder sein Vorgesetzter nicht möchte, dass er im Projekt mitarbeitet?

Unterstützung der Stakeholder sichern

Für Projektleiter ist es deshalb wichtig, sich die Unterstützung für die ausgewählten Kandidaten zu sichern – beim Auftraggeber, aber auch bei den Führungskräften der Kandidaten und von den Kandidaten selbst. Wird dieser wichtige Schritt versäumt, können die Kandidaten leicht zum Spielball werden – denn anders als der direkte Vorgesetzte haben Projektleiter keinerlei Weisungsbefugnis. Und genau das macht die Führung eines Projektteams zu etwas ganz Besonderem – aber auch schnell zu einer Herausforderung. Denn Projektleiter müssen konkrete Erwartungen erfüllen, die nur mit Unterstützung des Teams erreichen werden können. Dabei haben sie die gleichen Führungsaufgaben wie ein Linienvorgesetzter: Das Projektcontrolling und die Budgetüberwachung liegen in ihren Händen. Sie treffen Entscheidungen und geben Feedback. Es gibt jedoch auch wichtige Unterschiede: Sie nehmen diese Aufgaben nur für die Dauer des Projektes wahr und können die Mitarbeiter – anders als ein Linienvorgesetzter – nur bedingt fördern. Auch ohne disziplinarische Autorität gilt es, Aufgabenpakete zu verteilen, verbindliche Ziele und Termine zu setzen und die Projektmitarbeiter zu steuern. Und nicht zuletzt führen sie Teammitglieder allein über ihre fachliche und persönliche Autorität. Dies kann natürlich immer dann zu Konflikten führen, wenn sich eine disziplinarische Autorität einmischt und andere Prioritäten setzen will.

Führung im Projekt heißt, die Teammitglieder ohne disziplinarische Macht dazu zu motivieren, gemeinsam an dem Projektziel zu arbeiten, um es in der vorgegebenen Zeit mit dem vorgegebenen Budget und in der gewünschten Qualität zu erreichen.

Rollenklärung von Beginn an wichtig

Umso wichtiger ist es, dass sich Projektleiter als Führungskraft und nicht als Aufgabenverteiler verstehen. Führung ist mehr als operatives Management – es ist People Business. Wer hier zeigt, dass er über soziale und emotionale Kompetenzen verfügt, empfiehlt sich über die Führungsqualitäten auch als disziplinarische Führungskraft.

Um sich nicht zu verrennen, sollte vorab geklärt werden, wie viel Führung wirklich erwartet wird. Denn je nach Unternehmenskultur kann ein Projektleiter eher als Koordinator statt als Führungskraft gesehen werden. Deshalb gehört dieses Thema zur Auftragsklärung. Schließlich hängt davon auch ab, mit welchen Instrumenten und Maßnahmen die Zielerreichung beeinflusst werden kann.

Praxistipp 2: Klären Sie Ihre Rolle als Projektleiter

Was wird konkret von Projektleitern erwartet und was nicht? Diese Fragen helfen bei der Klärung:

  • Gibt es eine unternehmensinterne Definition für die Aufgabe des Projektleiters? Wenn ja: Wie lautet diese?
  • Wie viel Führung braucht Ihr Projekt? Wie komplex ist es; wie abhängig sind die Auftragspakete voneinander?
  • Wie eingespielt ist Ihr Team? Neue Konstellationen brauchen mehr Führung!
  • Welche Führungserfahrungen und -qualifikationen bringen Sie mit?
  • Welche Unterstützung brauchen Sie bzw. wünschen Sie sich bei der Führung durch Ihren Auftraggeber und die Linienvorgesetzten?
  • Mit welchen Führungsinstrumenten wollen Sie arbeiten? Welche Erfahrung haben Sie damit?
  • Wie steht es mit Ihrer Fähigkeit zu delegieren?

Wird die Bezeichnung „Projektleiter“ ernstgenommen, gehört es zu den Aufgaben der Führungskraft Aufgaben, Ziele zu definieren, Aufgaben und Arbeitspakete zu delegieren, Entscheidungen zu treffen, Arbeitsergebnisse und Fortschritte zu kontrollieren und den Projektmitarbeitern Feedback zu geben.

Dafür stehen dem Projektleiter ähnliche Führungsinstrumente zur Verfügung wie den Linienvorgesetzten – angefangen von der Stellenbeschreibung bzw. dem Anforderungsprofil über die Leitung von Projektsitzungen, die Führung von Einzelgesprächen und die Konfliktlösung bis hin zur Deeskalation von Krisen. Anders ist es meist, wenn es um die Leistungsbeurteilung geht. Da Projektleiter keine disziplinarische Autorität haben, liegt diese meist hauptverantwortlich bei dem Linienvorgesetzten.

Projektleiter setzen die Rahmenbedingungen

Der Projektleiter behält den Gesamtüberblick. Er entscheidet letztendlich über Prozesse und Abläufe ebenso wie über das Organisations- und Zeitmanagement. Auch wenn Projektmanagement-Standards im Unternehmen verankert sind, gibt es hier individuellen Gestaltungsraum, den Projektleiter für sich nutzen können und sollten.

Das betrifft auch die Projektmitarbeiter, ihre Rollen und die Gestaltung der Zusammenarbeit. Da dem Projektleiter in der Regel keine disziplinarischen Führungsinstrumente zur Verfügung stehen, sollte er aktiv die Möglichkeiten der Kommunikation, aber auch Zielvereinbarungen, Anweisungen oder die Kontrolle der Arbeitsleistung einsetzen.

Führung kostet Zeit

Mitarbeiterführung ist zeitintensiv. Sie fordert die ganze Aufmerksamkeit und die ganze soziale Kompetenz des Projektleiters. Gleichzeitig ist sie nur eine der Aufgaben, denen Projektleiter gerecht werden müssen. Umso wichtiger ist es, dass er immer noch genügend Spielraum für die operativen Aufgaben hat  und sich nicht zwischen Meetings und Mitarbeitergesprächen verzettelt.

Dazu ist es wichtig, die Kommunikation untereinander effizient zu gestalten. Beispielsweise, indem Meetings nicht aus Gewohnheit, sondern immer aus Anlass einberufen werden. Zudem können Projektleiter einen Teil der Kommunikation delegieren – nämlich all die Gespräche und Meetings, in denen es um das reine Abfragen und Sammeln von Informationen geht. Bei komplexen Projekten kann zudem viel Zeit gespart werden, indem für einzelne Teilprojekte Ansprechpartner benannt und mit dieser Aufgabe beauftragt werden.

Das Delegieren von Aufgaben entlastet nicht nur den Projektleiter – es ist wichtig, um die bestmögliche Lösung für die Herausforderungen in dem Projekt zu erzielen. Gleichzeitig identifizieren sich Projektmitarbeiter, die mehr Handlungsspielräume haben, stärker mit dem Projekt – und stehen damit auch mehr hinter dem Projektleiter.

Viele Menschen neigen dazu, Aufgaben lieber „schnell selbst“ zu machen, statt sich dafür die Kompetenz anderer zu sichern. Oder aber Mitarbeiter scheuen sich, die Verantwortung zu übernehmen und delegieren Entscheidungen zurück. Häufig liegt es einfach daran, dass wir nicht gelernt haben, Aufgaben loszulassen oder dass wir Angst davor haben, andere mit Aufgaben zu überfordern. Deshalb sollte nie der Bauch entscheiden, sondern jede Entscheidung fachlich fundiert sein.

Praxistipp 3: Delegieren oder nicht?

Die Entscheidung, welche Aufgaben an welche Mitarbeiter delegiert werden können und sollten, hängt von verschiedenen Aspekten ab. Diese Fragen helfen dabei, eine Entscheidung zu treffen

  • Entspricht die fachliche Kompetenz der Aufgabe?
  • Verfügt der Mitarbeiter über das nötige arbeitsmethodische Know-how?
  • Verfügt er über ein internes Netzwerk, das ihm bei der Bearbeitung der Aufgabe hilft?
  • Bringt er genügend Erfahrung mit, um die Aufgabe ganz zu durchdringen?
  • Hat der Mitarbeiter das ganze Projekt / Teilprojekt im Blick? Denkt er über die direkte Aufgabenstellung im Sinne des Projekts hinaus?
  • Ist er selbstkritisch? Steht er zu Fehlern und ist er bereit, sich bei Bedarf Unterstützung zu holen?
  • Stellt sich der Mitarbeiter auch in kritischen Phasen, so z. B. bei erhöhter Arbeitsbelastung, den Problemen?

 

Fazit

Nur wenn der Projektleiter sich seiner Rolle als Führungskraft bewusst ist und diese aktiv ausübt, kann er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln das Team effizient und zielgerichtet so führen, dass er die Projektziele ohne große Reibungsverluste erreicht. Dabei muss er sich immer wieder vor Augen halten, dass Projektleiter mehr sind als Aufgabenverteiler. Als Führungskraft haben sie vielmehr alle Fäden in der Hand und die Verantwortung dafür, das Projekt nach vorne zu treiben.

 

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch: Survival-Kit für Projekte: Überlebensstrategien für Projektleiter von Cornelia Wüst, das im Februar 2017 im Haufe Verlag erschienen ist.

 

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Portrait Autor

Cornelia Wüst

Geschäftsführerin Tiba Coaching GmbH

Email: redaktion(at)tiba.de

Cornelia Wüst verbindet aus über 28 Jahren Beratung und Coaching für internationale Kunden praktische Wirtschafts- und Kommunikationskompetenz mit den Kompetenzen aus der Humanistischen Psychologie und Psychosomatik. Als Diplom Betriebswirtin verfügt sie über zahlreiche Weiterbildungen und überzeugt vor allem durch die breite und langjährige Aus- und Weiterbildung als auch praktische Felderfahrung als Unternehmerin, Führungskraft, Managerin, Beraterin, gefragte Kommunikationsstrategin sowie Coach und Workshop-Leiterin in der Führungskräfte- und Teamentwicklung.