„EPC 4.0“- Eine Studie über die Wettbewerbsfähigkeit des Anlagenbaus

Prominente Vertreter des deutschen Anlagenbaus sind in den letzten Jahren mit erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert, die unter anderem Restrukturierungen oder Personalabbau zur Folge hatten. Die mit Mitwirkung der Tiba entwickelte Gemeinschaftsstudie “Innovation project EPC 4.0 – Unleashing the hidden potential “ greift diese Problematik auf und untersucht, was Unternehmen leisten müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Anlagenbaus auch in Zukunft gewährleisten zu können.

Die Wettbewerbsfähigkeit des Anlagenbaus gerät ins Wanken

Bereits 2018 bezeichnet der Mittelstand Heute die Situation des Maschinen- und Anlagenbaus als Phase der digitalen Eskalation. Doch nicht nur die mangelnde Nutzung der Digitalisierung-Potentiale macht dem Anlagenbau schwer zu schaffen. Es ist eine Kumulation mannigfaltiger Faktoren, die die Branche unter Druck setzt.

Einerseits zeigt sich, dass der internationale Wettbewerb im Anlagenbau – insbesondere aus Asien – deutlich stärker geworden ist. Andererseits sind viele Probleme hausgemacht und wirken sich in konjunkturell unsicheren Zeiten um ein Vielfaches stärker aus. Zu diesen Problemen zählen u.a. die bei Projekten häufig stark überzogenen Termine und Budgets oder die im Vergleich zu anderen Branchen schwache Produktivität.

„EPC 4.0“ – Wie Unternehmen den Wandel meistern

Um den Herausforderungen des Anlagenbaus adäquat zu begegnen, hat die Tiba Managementberatung diese Entwicklungen gemeinsam mit vier Partnern analysiert und geeignete Lösungen erarbeitet. Im Rahmen der Studie „EPC 4.0“ wurden die Erkenntnisse zusammengefasst und mit Experten aus dem deutschen Anlagenbau in mehreren Runden diskutiert. Einhellige Meinung der Experten ist: Es muss sich etwas gravierend ändern, damit der Anlagenbau in Deutschland wettbewerbsfähig bleibt, sonst droht der Abstieg aus dem „Olymp“. Bei den in der Industrie üblichen Projekten für Engineering, Procurement and Construction (EPC) müssen die Kosten um 50% gesenkt und die Abwicklungszeiten um 30% verkürzt werden, so prominente Vertreter der Branche. Dabei geht es nicht mehr um kosmetische Korrekturen an Prozessen und Methoden, sondern um radikal andere Formen der Zusammenarbeit.

Achsenkreuz Tiba

© Tiba Managementberatung GmbH

Aufbauend auf dem Tiba 4-Achsenkreuz mit den Dimensionen „Mensch“, „Prozesse und Methoden“, „Technologien“ sowie „Organisation“ werden im Abschlussbericht der Studie konkrete Empfehlungen gegeben, wie diesen gravierenden Veränderungen begegnet werden kann. Die Ergebnisse spiegeln sich im „EPC 4.0“ Tempelmodell wider. Dieses zeigt als Basis des Changes die Digitalisierung. Denn das Modell basiert auf Industrie 4.0 und den Trends, die in den nächsten Jahren kommen werden.

EPC 4.0 ModellDie vier Säulen beschreiben die Hebel der organisatorischen Veränderungen und der Veränderungen in den Prozessen und Methoden:

  1. Partnerschaftliche Zusammenarbeit,
  2. Flache Supply Chain oder überhaupt auch die Integration mit der Supply Chain am Beispiel Aviation-Industrie oder Automobil-Industrie
  3. Flexible Netzwerke
  4. Fokus auf Kernkompetenzen

Frank-Peter Ritsche, Initiator und Sprecher der Studie und Gründer des „ProjectTeam® Global Expert Network“ beschreibt die Wichtigkeit des Human Factors wie folgt: „Wenn man das vernachlässigt, ja, dann regnet’s rein.“

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Unternehmen verstärkt auf partnerschaftliche Zusammenarbeit, eine engere Anbindung der Supply Chain und eine flexible, projektorientiertere Organisationsform setzen sollten – also weg von hierarchischen Organisationen zu wesentlich flexibleren Organisationsstrukturen, die skalierbar sind. Das Geschäft muss fokussiert und vorhandene Kernkompetenzen gestärkt werden, um die Innovation dort voranzutreiben, wo Mitarbeiter ihre Kompetenzen haben – und nicht auf Nebenschauplätzen. Dabei spielt auch die Nutzung digitaler Technologien eine wesentliche Rolle. Vor allem sollte aber der Faktor „Mensch“ wieder in den Mittelpunkt gestellt werden.

Anschlussdialog mit Anlagenbau-Experten

Im Anschluss an die Studie wurden diverse Workshops mit Anlagenbau-Experten initiiert.

In diesen wurde von Experten betont, dass eine starke Regulierung und Prozessorientierung in der Vergangenheit die Menschen in den Betrieben mit ihren Fähigkeiten auf die Rolle eines „Erfüllungsgehilfen des Systems“ reduziert hat und komplexe Projekte so sicher nicht zu bewältigen sind. Denn dazu wäre mehr Gestaltungsfreiheit für den Einzelnen nötig, „Supportive Management“ und eine auf Kooperation, Vertrauen und persönliche Beziehungen aufbauende Kultur. (Wie „Supportive Management“ gelingen kann, beschreibt Alexander Koschke in dieser Blogserie)

Diese Aussagen wurden auch auf einem internationalen Kongress von den mehr als 300 Teilnehmern bekräftigt, die sich unter dem Motto „Trust in Major & Mega Projects“ in Zagreb getroffen hatten. Die Tiba Managementberatung ist im intensiven Dialog mit dem deutschen Anlagenbau, um die in der EPC-Studie enthaltenen Empfehlungen in die Praxis umzusetzen und damit einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Deutschland zu leisten.

 

Kurzbiografien zu den Autoren:

Reinhard Wagner, Geschäftsführer Tiba Managementberatung

Frank-Peter Ritsche, Initiator und Sprecher der Studie und Gründer des „ProjectTeam® Global Expert Network

Reinhard Wagner studierte Elektrotechnik sowie Betriebswirtschaft in Deutschland und den USA. Auf Basis von mehr als 30 Jahren Führungs- und Projekterfahrung unterstützt er Projektmanager, -teams sowie projektorientierte Organisationen als Berater, Trainer und Coach. Bei der Tiba Managementberatung GmbH ist er seit Juli 2017 Geschäftsführer. Darüber hinaus engagiert er sich seit vielen Jahren bei der Entwicklung nationaler wie internationaler Standards und veröffentlicht zahlreiche Bücher, Artikel sowie Blog-Beiträge zum Projektmanagement. Reinhard Wagner ist Präsident der IPMA International Project Management Association und Ehrenvorsitzender der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V.

Als Project Director im internationalen Großanlagenbau verantwortet Frank-Peter Ritsche das Engineering, die Beschaffung und Errichtung von schlüsselfertigen Chemieanlagen. Der studierte Maschinenbauer ist Gründer des „ProjectTeam® Global Expert Network“ und Herausgeber des „Project Management Handbook for EPC“. Außerdem hat er zusammen mit der Tiba und anderen Partnern die Gemeinschaftsstudie*) „Innovation project EPC 4.0 – Unleashing the hidden potential“ verfasst, die im April veröffentlicht wird.

 

*) „EPC 4.0“ ist eine Gemeinschaftsstudie von ProjectTeam®, TIBA, maexpartner, m8International und d1g1tal AGENDA

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