Gezieltes Wachstum mit PRINCE2®

– Praxisbeispiel –

Flottweg SE steht vor einem Umbruch: Das Unternehmen will sich zu einem Lösungsanbieter der mechanischen Trenntechnik weiterentwickeln und expandieren. Dazu setzt es auf ein standardisiertes und skalierbares Projektmanagement, das sich an der Wertschöpfungskette orientiert

Tiba Magazin – Ausgabe 1/2017

Seit über 60 Jahren entwickelt Flottweg SE in Süddeutschland Dekanterzentrifugen, Separatoren, Bandpressen und Anlagen, die in vielen Industriebereichen Schlüsselfunktionen übernehmen. Sie kommen beim Klären von Flüssigkeiten, Trennen von Flüssigkeitsgemischen und beim Konzentrieren und Entwässern zum Einsatz. Während dieser Firmengeschichte hat das Unternehmen, das ursprünglich Fahrräder mit Hilfsmotoren entwickelte und produzierte, zahlreiche Veränderungen und Herausforderungen gemeistert. Nun steht der nächste Change an: Das mittelständische Unternehmen möchte den Fokus in Zukunft verstärkt auf den Anlagenbau setzen, um somit der weltweit anerkannte Anbieter von individuellen Lösungen der Mechanischen Trenntechnik zu werden.

Hintergrund dieser Entscheidung sind immer mehr und immer größere Anlagenbauprojekte, die ein internationales Wachstum versprechen. Durch sie befindet sich das Unternehmen bereits in einem Veränderungsprozess, der nun gezielt vorangetrieben wird. Dabei sind sich die Verantwortlichen darüber bewusst, dass die alten Strukturen bei dem angestrebten Wachstum nicht mehr funktionieren können. Die bisherigen Prozesse können dem geplanten Wachstum nicht mehr ausreichend standhalten. Stand heute verwenden die unterschiedlichen Vertriebsabteilungen zum Teil unterschiedliche Templates und Methoden. Dies erschwert die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen unnötig. Zudem führen die unterschiedlichen Herangehensweisen in den Kundenprojekten zu Reibungsverlusten. Deshalb gehört das Projektmanagement mit zu den internen Prozessen, die im Rahmen des Change-Prozesses umgestellt und vereinheitlicht werden sollen.

Projektteam soll einheitlichen PM-Standard definieren und einführen

Für diese Aufgabe wird ein Projektteam aus einem Projektleiter, fünf Projektierungsgruppenleitern, einem Vertriebsabteilungsleiter sowie der Leiterin der Unternehmensakademie gebildet. Ziel des Projektteams ist es, ein nachhaltiges, umsetzbares, einheitliches und transparentes PM-Konzept zu erstellen, das den Wandel zum Lösungsanbieter unterstützt. Gefragt sind dabei eine neue Projektteamstruktur, die sich im Vergleich zur Linienorganisation und der bisherigen Arbeitsweise unterscheidet, die einen Lenkungsausschuss und ein Projektlaufbahnmodell berücksichtigen sollte, entsprechende PM-Prozesse und Methoden, ein klarer PM-Leitfaden für die Einführung, ein realistischer Ausrollplan für die Einführung sowie eine entsprechende PM-Qualifizierung der Projektleiter, -teams und der –lenkungsausschüsse.

Da parallel dazu im Unternehmen SAP eingeführt wird, sind die zeitlichen und personellen Ressourcen knapp. Deshalb hat sich Flottweg dazu entschieden, auf externe Unterstützung zurückzugreifen. Gesucht wird ein Dienstleister, der Erfahrung im Projektmanagement hat, Branchenerfahrung sowie das Verständnis von Prozess- und Change Management mitbringt, einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt und das Unternehmen von der PM-Konzeption bis zur Implementierung und Trainings der Projektleiter und –teams begleiten kann. Die Entscheidung fällt auf Tiba, da hier alle gewünschten Kompetenzen gebündelt zur Verfügung stehen.

Gemeinsam mit den zwei Beratern der Tiba wird die Wertschöpfungskette analysiert. Schnell steht fest: Aufgrund der Wertschöpfungskette des Unternehmens bietet sich PRINCE2® an. Diese prozessorientierte und skalierbare Projektmanagementmethode bietet einen strukturierten Rahmen und gibt anhand des neu visualisierten Prozessmodells konkrete Handlungsempfehlungen für jede Projektphase. Damit eignet sich der schlanke PM-Standard optimal für den Mittelständler mit Produktorientierung.

Auf Basis des PM-Standards und der Ergebnisse der zahlreichen Gespräche im Vorfeld erstellt Tiba in enger Zusammenarbeit mit Flottweg das PM-Konzept ProKunde (Projektmanagement für Kundenprojekte) für Einzel-Projektmanagement. Dabei fließen die aktuellen Entwicklungen in das Konzept mit ein. Dies betrifft vor allem die Rolle der Projektleiter, die aufgrund der Besonderheiten bei Flottweg stärker ausfällt als ursprünglich von PRINCE2® vorgesehen. Damit gewinnt auch das Thema Soft Skills an Bedeutung, da sie von dem PM-Standard nicht gesondert ausgewiesen werden.


Abb. 1: Auswahl der Soft-Skill Anteile laut IPMA

Abgestimmt auf die Wertschöpfungskette, die Anforderungen der Kunden und das geplante Wachstum sieht das Konzept einen Lenkungsausschuss, einen Projektleiter und Teilprojektleiter bzw. Arbeitspaketverantwortliche vor. Dabei bildet der Lenkungsausschuss die oberste Instanz des Projekts und ist als solche für die Einhaltung der vom Unternehmensmanagement vorgegebenen Toleranzen verantwortlich. Der Projektleiter hingegen hat zu gewährleisten, dass die Lieferung der vom Kunden geforderten Produkte in der definierten Qualität und Zeit sowie innerhalb des vereinbarten Kostenrahmens sichergestellt ist. Um nicht jede Abweichung eskalieren zu müssen, werden ebenso Toleranzen für die Projektleiter definiert. Die Teilprojektleiter, Arbeitspaketverantwortlichen und Teammitglieder hingegen haben die Verantwortung für die Lieferung der Produkte und Arbeitspakete in der mit dem Projektleiter vereinbarten Qualität und Zeit sowie innerhalb des vereinbarten Kostenrahmens.


Abb. 2: Geregelte Verantwortung des Projektleiters

Im anschließenden Workshop mit den Fachabteilungsleitern wird das Implementierungskonzept vorgestellt, das Feedback der Teilnehmer eingeholt und die weitere Erwartung abgefragt. Nachdem diese in das Konzept mit eingearbeitet ist, wird ein konkreter Maßnahmenplan erstellt.

Schlanker PM-Guide für Projektleiter, Teams und Lenkungsausschüsse

Um das Konzept allen Mitarbeitern besser zu vermitteln und eine konkrete Arbeitshilfe an die Hand zu geben, fassen die Berater die wesentlichen Informationen in einem PM-Guide zusammen. Thematisiert werden dabei unter anderem die verschiedenen Projektrollen, die Rolle des Projektleiters, Prozesse, PM-Themen und PM-Templates. Weitere Inhalte sind die Regeln der Zusammenarbeit und die weichen Faktoren des PM. Auf Wunsch der Flottweg SE wurde dieser mit etwa 35 Seiten so schlank wie möglich gehalten.


Abb. 3: PM-Guide

Dass ein einheitlicher PM-Standard einen Mehrwert für das Unternehmen, aber auch für den einzelnen Mitarbeiter erzeugt, muss zunächst vermittelt werden. Schließlich haben sich die bekannten Prozesse über mehrere Jahre im Unternehmen verankert und haben bislang auch gut funktioniert. Dass dies mit dem geplanten Wachstum nicht mehr ausreicht, ist für viele Mitarbeiter nur schwer greifbar. Hinzu kommen Vorbehalte vor Veränderungen und bei sowieso schon knappen Zeitressourcen etwas Neues zu lernen.

Um das benötigte Verständnis für eine erfolgreiche Einführung des Standards zu erreichen, erfolgt die Implementierung schrittweise anhand von Pilotprojekten, die von dem Kernteam ProKunde ausgewählt werden. Dabei wird pro Vertriebsbereich ein Pilotprojekt ausgewählt, das den neuen Standard komplett durchläuft und bei Phasenübergängen von ProKunde betreut wird (A- B- oder C-Projekte). Insgesamt werden circa 12 Pilotprojekte durchgeführt und von der Tiba auditiert. Damit wird sichergestellt, dass für jeden der fünf Bereiche in mindestens zwei Projekten alle Phasen einmal durchlaufen werden.

Bereits in diesen Pilotprojekten zeigen sich die Vorteile des neuen PM-Standards: Innerhalb einer neuen und definierten Projektorganisation sind die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen der einzelnen Projektteammitglieder klar geregelt.

Fazit und Ausblick

Mit PRINCE2® ist Flottweg gut auf das weitere internationale Wachstum vorbereitet. Der Standard ist skalierbar und kann damit bei Bedarf mit wachsen. Wie bei allen Change-Projekten wird es noch eine Weile dauern, bis der Standard durchgehend gelebt wird. Unterstützt wird dies durch Trainings und Weiterbildungen, bei denen Flottweg ebenfalls auf die Tiba zugreift. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil des ganzheitlichen Ansatzes: Durch die enge Zusammenarbeit bei der Definition und Implementierung des PM-Standards und der Entwicklung der PM-Maßnahmen kennt Tiba das Unternehmen, seine Herausforderungen und Anforderungen sehr gut. Die Trainings berücksichtigen dies und bringen den Mitarbeitern damit einen klaren Mehrwert.

Autor:in

Portrait Autor

Moritz Kronseder Mapeli

Dipl.-Ing. (FH) PMP, Consultant Prozessintegration
Auftraggeber

… seit 7 Jahren arbeitet Herr Kronseder Mapeli für Flottweg in unterschiedlichen Organisationsprojekten rund um die Prozesse entlang der Wertschöpfungs-kette. Für das Projekt ProKunde war der ausgebildete Project Management Professional® und zertifizierte Lean Six Sigma Green Belt aus diesem Grund als Projektleiter prädestiniert und bringt entsprechend aktuell die Implementierung stark voran.

Portrait Autor

Christof Rink

Berater und Trainer, Qualifikationsstufe „Professional Consultant“ / „Professional Trainer”

… nach Abschluss eines MBA-Studiums und Prozessberater in der Produktion stieg Christof Rink bei der Tiba Managementberatung ein. Einführung von Projektmanagement, Training und Moderation gehören hierbei zum Schwerpunkt des Luft- und Raumfahrtingenieurs. Eine PMP-Zertifizierung und entsprechende Projekterfahrungen ergänzen sein Profil. Mittlerweile verantwortet er bei der Tiba das Produktportfolio.

Portrait Autor

Martin Münch

Berater und Trainer, Qualifikationsstufe „Junior Consultant“

… nach seinem Masterstudium im Bereich Baubetrieb/Baumanagement legt Martin Münch den Schwerpunkt auf die Beratung im Projektmanagement. Seit 2016 ist er als Junior Consultant bei der Tiba angestellt und betreute bisher zwei Kunden aus den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau. Der PRINCE2®-Practitioner zertifizierte Junior Consultant wandte bei der Firma Flottweg SE sein erworbenes Wissen an und vertiefte es. Inhalt des Projekts war die Einführung eines PM-Standards angelehnt an PRINCE2®.