Agile to go

– Tipps für die Praxis –

Ein Prinzip zum Agilisieren von Projektmanagement heißt „Geschützter Rahmen“. Auch wenn in unserem Bereich noch nicht Scrum eingeführt ist und wir nicht jeweils zwei Wochen lang „ungestört“ arbeiten können, können wir aktiv werden. Dieser Beitrag beschäftigt sich daher mit Fragen wie der notwendige „geschützte Rahmen“ im Alltag umgesetzt werden kann und was sich hinter dem „Time Boxing“ verbirgt.

Tiba Magazin – Ausgabe 2/2017

Prinzip 2. Geschützter Rahmen

Geschützter Rahmen im Alltag

Wir können uns in kleinen Schritten einen geschützten Rahmen schaffen, in dem wir uns ungestört um strategisch wichtige und kreative Dinge kümmern. Hier einige Beispiele:

  • Tagesplanung: Jeden Morgen eine halbe Stunde im Kalender blocken für Priorisierung und Planung der Tätigkeiten des Tages. Hier entscheidet sich, ob ich Herr oder Opfer meiner Situation bin. Hier kann ich die nächsten „Oasen“ in meinem Kalender blocken.
  • Strategie: Zeit blocken für wichtige Dinge, die langfristig strategischen Wert haben, aber kurzfristig keinen direkten Kunden. Hierunter zählen unter anderem Visionsarbeit, Weiterbildung, Teambildung, Qualitätszeit mit Kollegen, etc. Strategiezeit ist nicht nur etwas für Führungskräfte, sondern ist elementar für die Selbst-Organisation, die wir für mehr Agilität dringend brauchen.
  • Handyparkplatz: In Meetings und Trainings einen Handy-Parkplatz einrichten, wo gleich beim Betreten des Raumes die Handys und Laptops abgegeben werden – ähnlich wie früher im Saloon die Waffen. Das Ziel: Sich während der Besprechungszeit und auch in den Pausen ausschließlich mit dem aktuellen Thema zu beschäftigen. Am Anfang wird sich das anfühlen wie „Raucherentwöhnung“, aber schon bald wird jeder den Wert der Konzentration und der Fokussierung schätzen. Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen werden davon profitieren.
  • Der Termin mit mir selbst: Kreativität und Inspiration braucht Freiraum. Wenn wir uns diesen Freiraum nicht bewusst schaffen, werden wir einen großen Teil unseres Potentials nicht nutzen können. Dazu ist es wichtig, sich nicht nur die Zeit zu blocken, sondern auch den Ort zu gestalten bzw. zu wechseln. Also raus aus dem Büro, in ein eigenes Besprechungszimmer, in das Innovation Lab oder am besten in die Natur. Für viele scheint das vielleicht noch utopisch, aber wer agil werden will, muss ja irgendwo anfangen, etwas anders zu machen ;-).

Wichtig ist dabei immer sich eine „Time Box“ zu setzen, das heißt, einen zeitlichen Rahmen festzulegen, wo Start und Ende bewusst gesetzt und auch eingehalten werden. Am besten am Ende der Zeit kurz reflektieren und optimieren, um seine persönlichen Vorlieben und Flow Momente immer besser kennen zu lernen.

Mit solchen kleinen Interventionen kann jeder sofort anfangen agiler, selbst-bestimmter und damit effektiver zu werden.

Time Boxing

Viele empfinden Time Boxing zuerst mal als Stress. „Ständig unter Zeitdruck sein“, „Immer gibt es eine Deadline“ … sind oft gehörte Beschwerden. Dabei kann eine Time Box, das heißt eine vorher festgelegte Zeitspanne, etwas sehr Entspannendes sein.

Anstatt zu denken „Ich muss jetzt in 90 Minuten das und das fertig bekommen“, kann eine Time Box auch als ein geschützter Rahmen gesehen werden. In diesen 90 Minuten haben Tagesgeschäft, Telefon, Handy oder nervige Kollegen keine Chance. Stattdessen kann ich 90 Minuten endlich mal durchatmen und mich komplett ungestört nur dieser einen Sache widmen!

So wird aus der ständig im Hinterkopf drohenden „Dead Line“ eine erfrischende Oase, ein Urlaub vom Alltagswahnsinn! Dazu sind jedoch ein paar Dinge wichtig:

– Definierte Aufgaben: Ähnlich wie im Scrum der Sprint geschützt sein muss und keiner den Sprint Backlog während des Sprints verändern darf, muss auch hier die Aufgabe, die ich in meiner Time Box erledigen möchte, fix sein und darf sich nicht erweitern! Deswegen auch unbedingt eMails und Telefon während dieser Zeit ausschalten, sonst funktioniert Time Boxing nicht.

– Priorisieren und Abschließen: Eine Time Box zwingt mich dazu, zu priorisieren („Ich habe ja nicht ewig Zeit“) und Dinge abzuschließen. In Zeiten des Multitaskings ist das Gefühl, etwas abzuschließen sehr befriedigend und motiviert, mehr Dinge abschließen zu wollen. Nur 90 Minuten eMails abzuarbeiten aus einem nie endenden Posteingang fühlt sich eher wie Sisyphus-Arbeit an und ist auf Dauer nicht zufriedenstellend. Also lieber das Wichtigste abgeschlossen als alles angefangen …

– Ruhe nach getaner Arbeit genießen: Ich nehme mir eine bestimmte Sache vor – und wenn ich sie erledigt habe, bin ich fertig. Die restliche Zeit kann ich mich über das Ergebnis freuen, Pause machen und mich erholen. Die kleinen Minipausen mit positiven Gefühlen sind sehr wohltuend für Körper und Seele und ein wesentlicher Bestandteil des Time Boxing.

Egal wie lang die Time Box ist und ob ich sie zum Abarbeiten von wichtigen kreativen Aufgaben, für Meetings oder für Trainings nutze: es wird sich am Anfang ungewohnt anfühlen.

Der Nutzen kommt nur, wenn ich mir entschlossen den geschützten Rahmen schaffe und die paar wichtigen Regeln einhalte.

Die 7 Prinzipien für die „Agilisierung“ des Projektmanagements

1. Freiwilligkeit
2. Geschützter Raum
3. Echtes Team
4. Supportive Management
5. Iterate to Wow
6. Kundennutzen
7. Übergreifende Abstimmung

Ziel des agilen PM ist es, die Wirtschaft wieder mehr am Menschen auszurichten. Denn nur so lässt sich die Wertschöpfung in Zeiten komplexer Umfelder und sich ständig ändernder Rahmenbedingungen optimieren.

Für die meisten Unternehmen wird die Anwendung der vorgestellten Prinzipien mit der damit verbundenen Selbstorganisation der Teams und dem Supportive Management mit einem großen Change des Mind Set verbunden sein. Eine Umsetzung von heute auf morgen ist damit nicht möglich.

Die Agilisierung des PM sollte deshalb so erfolgen, dass jede Organisation den für sie passenden Grad an Agilität definiert und Schritt für Schritt den Change vorantreibt, ohne dabei die Organisation zu überfordern. Ganz den Prinzipien folgend sollte auch hier iterativ vorgegangen, verschiedene PM-Ansätze individuell kombiniert und das Feedback kontinuierlich eingearbeitet werden. Weiterlesen …

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Das White Paper „Wie wirkt sich der Trend „Agilität“ auf das Projektmanagement aus“ kann bei der Tiba per Mail an redaktion@tiba.de kostenlos angefordert werden.

Autor:in

Portrait Autor

Alexander Koschke

Alexander Koschke ist seit Ende 2008 bei der Tiba Managementberatung und Teil des Think Tanks zum Thema PM 4.0. Als Berater und Trainer treibt er das Thema Agilität und neue Führung in Industrieunternehmen leidenschaftlich voran. Der Maschinenbau-Ingenieur (MBA) geht auch in seiner Freizeit der Frage nach: Wie wollen wir arbeiten? Die aktuelle Welle der Agilität, die immer mehr auch die Industrie erfasst, bietet da ein gutes Forschungsfeld. Durch die Kombination verschiedener agiler Projektmanagement-Ansätze und mit seinen ausgeprägten Führungs- und Softskills begeistert er immer mehr Kunden für dieses Thema.