„Frauen sind kommunikationsfähiger und Frauen sind loyaler ihren Unternehmen gegenüber.“ Das sagt Dr. Dorothee Feldmüller, Mitglied im Leitungsteam „PM-Expertinnen“ der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement. Dies alles spricht dafür, dass Unternehmen, die den Anteil der Frauen in Führungspositionen im Projektmanagement steigern, langfristig davon profitieren. Noch liegt die Quote weiblicher Führungskräfte im Projektmanagement unter 15 Prozent. Aber es tut sich was in den Unternehmen.
Frauen rücken zunehmend in Führungspositionen. Dies gilt auch fürs Projektmanagement. Wie würden Sie den Status quo der Frauenquote im Projektmanagement beschreiben?
Dorothee Feldmüller: Projektmanagement ist – wie Management im Allgemeinen und wie die vielen technischen Disziplinen, in denen Projektmanagement eine große Rolle spielt – bislang eine Männerdomäne. Als wir 2007 in der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement die Special Interest Group „PM-Expertinnen“ gegründet haben, waren 13 Prozent der Mitglieder weiblichen Geschlechts. Bis heute konnte dieser Anteil auf 19 Prozent gesteigert werden. Dies wird nach unserer Einschätzung dem Potenzial und der hohen sozialen Kompetenz, die bei weiblichen Fach- und Führungskräften vorhanden ist, weiterhin nicht gerecht.
Interessant sind in diesem Zusammenhang die aktuellen Analysen, die meine Kollegin Prof. Dr. Yvonne Schoper, Vorstandsmitglied der GPM, gemacht hat zu genderspezifischen Karriere- und Gehaltsunterschieden: Auch bei dieser Studie sind ca. 20 Prozent Frauen beteiligt gewesen. Yvonne Schoper hat herausgefunden, dass die jungen Frauen aufholen. Unter den jungen Projektmanagement-Fachfrauen gibt es einen höheren Frauenanteil von nahezu 30 Prozent, und die jungen Frauen mit drei bis fünf Jahren Berufserfahrung sind besser qualifiziert und verdienen sogar etwas mehr als ihre männlichen Kollegen. Das lässt hoffen, dass diese Generation Y auch in späteren Berufsjahren mehr Karrierechancen hat. Denn die Frauen, die es heute in die erste Führungsebene im Projektmanagement geschafft haben, haben mit den bekannten Strukturen zu kämpfen: deutliche Gehaltsunterschiede zu Ungunsten der Frauen, vor allem im variablen Anteil. Und die Quote der Frauen mit langjähriger Berufserfahrung liegt unter 15 Prozent.
Gilt dies für alle Branchen oder sehen Sie deutliche Unterschiede zwischen eher „weiblichen“ und eher „männlichen“ Branchen?
Feldmüller: Nach meinem Wissensstand gibt es Ausbildungsrichtungen und Branchen, in denen der Frauenanteil höher ist – was sich aber nicht in hohen Frauenquoten im Management niederschlägt. Was das Projektmanagement angeht, gilt nach meiner Einschätzung das gleiche: auch bei dieser Führungsaufgabe sind die Frauen in allen Branchen derzeit in der Minderheit.
Hier sieht die eben bereits genannte Studie übrigens noch Forschungsbedarf – Frauen sind in vielen sogenannten MINT-Fächern (MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) überraschend gut im Projektmanagement vertreten, gemessen am Frauenanteil in diesen Fächern. Leider liegt hier bislang kein belastbares Zahlenmaterial vor.
Frauen arbeiten und kommunizieren anders als Männer. Was wird sich mit einer höheren Frauenquote ändern? Wird der Einzug der weiblichen Denk- und Vorgehensweise, die es ja unbestritten gibt, das Projektmanagement verändern?
Feldmüller: Nach meiner Meinung gibt es Verhaltenstendenzen bei Männern wie bei Frauen – denen aber auch nicht jede beziehungsweise jeder genau entspricht. Ein einzelnes Verhalten oder eine Situation mit Geschlechtsstereotypen – „Frauen arbeiten oder führen anders“ – ist immer schwierig – eine Tendenz ist aber vorhanden. Frauen bringen zum Beispiel tendenziell mehr Kommunikationsfähigkeit und Sensibilität ein. Zu diesem Ergebnis kam unsere erste Studie zur beruflichen Situation von weiblichen und männlichen Projektmanagern im Vergleich. Sie kommunizieren und beteiligen sich mehr – und dies führt zu nachhaltigeren Prozessen und Ergebnissen.
Wobei ich die Veränderung des Projektmanagements durch die Frauen für ein Henne-Ei-Thema halte: Frauen führen Projekte anders, aber Projekte müssen zunehmend auch anders geführt werden. Projekte werden immer komplexer, immer mehr Projekte müssen organisationsübergreifend und mit internationalen Partnern geplant und gesteuert werden. Klassisches hierarchisches Denken führt hier nicht zum Erfolg, die Verhaltenskompetenzen spielen im Projektmanagement gerade in solchen Konstellationen eine große Rolle. Hier können viele Frauen punkten. Und sie können gut mit Mehrdeutigkeit und Unsicherheit umgehen und wissen, wie man Lösungen findet, ohne „durch die Wand zu gehen“.
Beim Projektmanagement wie in vielen anderen gesellschaftlichen Fragen wird Beteiligung und Geschlechtergerechtigkeit wichtiger, und damit wird es wichtiger, mehr Frauen für das Projektmanagement zu gewinnen. Wo Frauen ihre Fähigkeiten im Projektmanagement erfolgreich einsetzen, steigen die Chancen der Frauen insgesamt. Es handelt sich um einen Veränderungsprozess, der beide Geschlechter betrifft und von beiden getragen werden wird. Und das – so würde ich es mir wünschen – ohne dass man oder frau ständig nur Geschlechtsstereotype im Kopf hat.
Welchen Tipp geben Sie jungen weiblichen Nachwuchskräften, um sich im Job zu behaupten und Karriere zu machen?
Feldmüller: Zunächst einmal finde ich es wichtig für jede – weibliche wie männliche – Nachwuchskraft, sich über die eigenen Karriereziele und die Lebensplanung klar zu werden. Ein Hindernis für die Frauen ist nach wie vor das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es wäre eine Bereicherung für beide Geschlechter – und auch für Kinder –, wenn die Aufgaben zwischen den Geschlechtern anders verteilt wären als es heute noch meist der Fall ist: Hausarbeit und Kindererziehung sind immer noch mehrheitlich Frauensache. Dies muss nicht so sein, und das sollte mit dem jeweiligen Partner ausgehandelt werden.
Ein wichtiger Karrierefaktor ist das Netzwerken. Hier sind berufliche Netzwerke von Bedeutung, in denen man oder frau sich fachlich austauschen kann und auch einmal einen Schritt auf der Leiter nach oben machen kann, der im direkten Umfeld nicht möglich gewesen wäre. Und nach meiner persönlichen Erfahrung ist es wichtig für Frauen, auch ein Netzwerk von Frauen zu haben. Das gleiche Geschlecht zu haben und bestimmte ähnliche Erfahrungen zu teilen, dies ist eine gute Basis für tiefergehende Gespräche und guten Rat, den man sich gegenseitig geben oder erhalten kann.
Für eine Karriere muss man Mentoren beziehungsweise Mentorinnen finden – auch dies gelingt häufig über Netzwerke. Häufig halten solche Beziehungen zwischen älteren Förderern und Nachwuchskräften über mehrere Karriereschritte.
Abschließend würde ich aber auch gerne noch eine Botschaft loswerden: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass eine klassische Karriere im Management bis heute für eine Frau ungewöhnlicher und anstrengender ist. Die Älteren unter uns sind in einer Welt aufgewachsen, in der Führungsaufgaben nur oder nahezu nur von Männern wahrgenommen werden, dies ändert sich nur langsam. Und dies hat Konsequenzen – die uns sicher gar nicht alle bewusst sind. Ein weiteres Faktum: soziologische Studien haben herausgefunden, dass erfolgreiche Männer eher positiv gesehen werden, während Karriereerfolge bei Frauen eher negativ bewertet werden. Da ist noch eine Menge Ballast abzuwerfen, bevor man von Chancengleichheit sprechen kann.
Und weshalb sollten Personaler beziehungsweise Entscheider in Unternehmen unbedingt mehr Frauen einstellen?
Feldmüller: Das Problem ist – so glaube ich – nicht, dass Frauen nicht eingestellt werden, sondern dass sie nach der Einstellung aufgrund der genannten Hindernisse steckenbleiben. Mein Appell an Personaler und Entscheider geht dahin, die Frauen zu fördern und zur Führungsposition zu ermutigen. Gerade weil die Frauen auf mehr Hindernisse stoßen, ist eine besondere Förderung angebracht. In einigen Unternehmen werden Mentoring-Programme oder Programme zur kollegialen Beratung angeboten. Aus einem Unternehmen ist mir konkret bekannt, dass eine Frau in einer Führungsposition einen Stammtisch für weibliche Fachkräfte und Führungskräfte gegründet hat. All diese Maßnahmen halte ich für richtig und wichtig.
Weshalb? Weil gemischte Teams mehr Sichtweisen berücksichtigen und zu besseren Lösungen kommen. Dies gilt vom Expertenteam, das ein neues Produkt entwickelt, bis zum Management-Board. Weil die Fähigkeiten der Frauen zu kommunizieren und partizipieren zu lassen, gebraucht werden. Weil – auch dies hat die Studie von Yvonne Schoper wieder bestätigt – die Frauen loyaler zum Unternehmen sind. Weil die Unternehmen und die Gesellschaft bereichert werden, wenn die Talente der Frauen besser genutzt werden – und die Frauen auch, wenn sie sich besser einbringen können.