Brexit-Chaos: Was können Projektmanager daraus lernen?

Seit 15.01.2019 hat das Brexit-Verfahren eine wenig überraschende, aber trotz allem alarmierende Wendung genommen. 2,5 Jahre nach dem Leave-Votum und nur einen kleinen Schritt vom geplanten Austritt aus der EU entfernt, wurde der von Premierministerin Theresa May verhandelte Brexit-Entwurf mit deutlicher Mehrheit abgeschmettert. Die internationale Presse überschlägt sich seitdem mit den neuesten Meldungen und diverse EU-Regierungen bereiten sich indes auf einen No-Deal Brexit vor.

Doch wie konnte es so weit kommen? In einem Spiegel Online Artikel vom 16.01.19 gibt Sascha Zastiral der Premierministerin selbst die Schuld am Brexit-Drama: „Sie hat mit etlichen Patzern und autoritärem Stil die Situation herbeigeführt, in der das Land gerade steckt.“

Doch wie genau hat ihr autoritärer Führungsstil die aktuelle Krisensituation ausgelöst? Zeit Online greift Mays Führungsstil auf und beschreibt: „Auch in der Öffentlichkeit war sichtbar, dass May nur vier Tage nachdem sie das Wahlprogramm vorgestellt hatte, das Programm in einem für die älteren Wähler wichtigen Punkt über Nacht änderte. Auch wurde deutlich, dass May möglicherweise zu eigenmächtig entscheidet, zu wenig auf fachlichen Rat hört, deshalb Fehler macht und dann unter Druck einlenken muss, ohne ihre Fehler zugeben zu wollen.“

Das „Großprojekt“ Brexit steht durch Mays Führungsstil kurz vor dem Zusammenbruch. Allerdings handelt es sich hier nicht um ein Projekt, welches nur eine einzelne Organisation betrifft. Der Brexit beeinflusst maßgeblich die Wirtschaftslage der gesamten Europäischen Union und spaltet ein ganzes Land in entgegengesetzte Lager. Was können Projektmanager und Projektleiter daher aus diesem Desaster lernen? Wie muss Führung aussehen, um Mitarbeiterspaltung zu vermeiden? Und welcher Führungsstil führt Großprojekte nachhaltig zum Erfolg?

Führung in Projekten erfordert besondere Anforderungen

Vor allem in Großprojekten ist jede Menge Führungsgeschick gefragt. Denn je größer das Projekt, desto komplexer die Aufgabenstellungen. Führungskräfte anspruchsvoller Projekte müssen ein enorm hohes Maß an Flexibilität aufweisen. Ein ständiger Erfolgs- und Zeitdruck sowie ein erhöhtes Konfliktrisiko durch die Diversität der Mitwirkenden stellt Projektleiter meist vor große Führungsherausforderungen. Mehr zu den Besonderheiten der Projektführung können Sie hier lesen.

Doch welcher Führungsstil ist für Großprojekte wirklich geeignet?

Tannenbaum & Schmidt differenzierten bereits 1973 sieben verschiedene Führungsstile. (siehe Grafik)


(Tannenbaum & Schmidt, 1973, S.4)

In der Projektarbeit werden häufig sowohl der autoritäre als auch der kooperative Führungsstil angewendet. Wobei dies oftmals von der Projektphase abhängt. Gerade in der Vorbereitungsphase, in welcher es von besonderer Bedeutung ist, kreative Lösungen zu finden, wird gerne der kooperative Führungsstil eingesetzt. Denn Schöpfergeist und Kreativität sind auf eine aufgeschlossene und angenehme Atmosphäre angewiesen. Ein autoritäres Auftreten kann insofern schädlich sein, dass Projektmitarbeiter sich unkompetent, bevormundet und fremdgesteuert fühlen.

Von besonderer Bedeutung ist jedoch das Gespür für den Augenblick und für seine Mitarbeiter. Flexibilität und das Eingehen auf situative Bedingungen sind ein wichtiger Schlüssel zum Projekterfolg.

Um die Bedürfnisse der Mitarbeiter nicht aus den Augen zu verlieren, lohnt es sich oftmals Synergien auf Augenhöhe zu schaffen. In Ihrem Blogartikel „Führung 4.0 – Auf was sich Führungskräfte einstellen müssen“ erklärt Coaching-Expertin Cornelia Wüst, wie Tabubrüche in hierarchischen Firmen zu einem fruchtbaren Austausch und Miteinander führen können. „Ältere Mitarbeiter lassen sich von jüngeren Kollegen erklären wie Snapchat oder Trello funktionieren, Führungskräfte bloggen und vergeben ‚Likes‘ an ihre Mitarbeiter. Einzelbüros werden in loftartige, moderne Arbeitsflächen umgebaut – mit bunten Sitzecken.“

Flache Hierarchien als Buzzword für moderne Organisation – häufig eine Umstellung für etablierte Führungskräfte. Heutzutage beschäftigen wir uns nicht mehr mit Macht und Kontrolle, sondern sprechen über Führung in flachen Strukturen. Cornelia Wüst beschreibt, wie Führungskräfte die Schlagkraft ihres Teams verbessern und Erfolge verbuchen können: „Offenheit, Kommunikationskompetenz, Agilität, Partizipation auf Augenhöhe und Vernetzung heißt die neue Währung der Motivation für bessere Ergebnisse.“

Womöglich ist es kein bestimmter Führungsstil, der Projekte maßgeblich erfolgreich macht. Am Schluss zählt, wie die Beziehung zwischen Projektleitern/Vorgesetzten und ihren Mitarbeitern ist. Wie ehrlich und offen ist der Umgang miteinander, gibt es konstruktive Kritik und auch Raum für diese?

Auch dies greift Cornelia Wüst abschließend auf: „Für die Führungskräfte von heute bedeutet dies verstärkt, ihre sozialen und empathischen Kompetenzen zu entwickeln. Die werden nämlich den Erfolg der Führungskraft unterstützen: Zuhören, Feedback-Kultur, Wertschätzung, Verzicht auf Machtdemonstrationen, kollaborativer Austausch, etc. Es braucht nicht nur neue Denkmodelle, sondern ein komplett neues Mindset. Für Führungskräfte heißt das permanentes Lernen.“

Auf den PM-Tagen 2019 wird Frau Wüst noch tiefer in diese Thematik einsteigen. In ihrem Workshop „Leadership 4.0 – Was sind Ihre Game Changer?“ diskutiert sie mit den Teilnehmern, wie das Tagesgeschäft in unseren neuen Arbeitswelten stabil gehalten werden kann und wie Sie als Führungskraft auf die Gratwanderung von alten und neuen Arbeitsformen antworten können.

Feststeht: Der Führungsstil hat maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg eines Projekts – auch im politischen Umfeld!

 

Autorin: Marina Mergen, Tiba Managementberatung GmbH

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