Best Practice aus dem Projekt „Zukunft aktiv gestalten“ der Sparkasse im Landkreis Cham | Ein Interview mit Johann Urban

Die Bankenbranche steht Kopf. Digitalisierung, neue Kundenanforderungen, ein ungünstiges Bankenumfeld erfordern ein radikales Umdenken – was auch die gewohnten Strukturen und Angebote der Banken betrifft. Die Sparkasse im Landkreis Cham strukturiert den gesamten Privatkundenvertrieb seit Januar 2017 komplett um. Dies betrifft Kunden, Mitarbeiter, Führungskräfte und Vorstände: Reduzierte Öffnungszeiten gehen einher mit vermehrten Service- und Beratungsleistungen über digitale Kanäle. Johann Urban als Bereichsdirektor Mediale Unterstützung und Kundenservice-Center ist dabei für die komplette Kommunikation sowie das Change-Management zuständig. Er wird das Großprojekt „Zukunft aktiv gestalten“ auf den » PM-Tagen vorstellen und den Zuhörern praktische Anregungen für ihre eigenen Change-Prozesse mitgeben.

Wie viele Menschen betrifft Ihr Projekt, und wie stellen Sie sich seinen nachhaltigen Erfolg vor?

Johann Urban: Es betrifft unseren gesamten Privatkundenvertrieb mit zirka achtzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Indirekt betroffen sind jedoch alle 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil der Privatkundenvertrieb unser größter Vertriebszweig ist. Nachhaltiger Erfolg ist, wenn sich die Mitarbeiter im Privatkundenvertrieb auf ihren zum Teil neuen Stellen mit dem geänderten Anforderungsprofil einarbeiten und dann auch wohlfühlen. Zum Ausdruck würde dies kommen durch nachhaltige Beratungserfolge bei den Kunden.

Nachhaltige Beratungserfolge bei den Kunden heißt, die Kunden bleiben und sind auch zufrieden…

Urban: …und machen Produktabschlüsse.

Welche Rolle spielen Sie in dem Projekt?

Urban: Das Projekt heißt bei uns „Zukunft aktiv gestalten“. Da gibt es einen Projektleiter. Das bin nicht ich. Aber ich bin für das Teilprojekt „Kommunikation und Change-Management“ verantwortlich.

Was müssen Sie bei der Umstrukturierung beachten, damit es auch ein nachhaltiger Erfolg wird?

Urban: Die Herausforderung war folgende: Wir sind ein mittelständisches Unternehmen sage ich mal, eine mittlere Sparkasse von der Größe her. Und uns war wichtig, keine fertigen Konzepte zu übernehmen – weder für die Umstrukturierung noch für das Change-Management. Hier hat uns die Tiba begleitet; für das ganze Projekt haben wir Leitlinien von unseren Beratungsfirmen mit aufgenommen, und die haben wir auf die jeweiligen Ausgangsvoraussetzungen bei uns im Haus angepasst. Da war die Tiba sehr flexibel. Wirklich toll. Noch wichtiger war jedoch die Einbindung der Mitarbeiter bei einzelnen Themenstellungen. Dort, wo mitentschieden werden kann. Es gibt natürlich auch geschäftspolitische Vorgaben – die kann man nicht diskutieren. Bei diesen haben wir uns dann bemüht, konkret das „Warum“ zu vermitteln – nicht nur das „Wie“. Die drei Erfolgsfaktoren, aber auch die notwendigen Voraussetzungen waren Empathie und Einfühlungsvermögen bei den Mitarbeitern, Fachkenntnisse und den Überblick über die Abläufe im Haus zu behalten.

Was war die größte menschliche Herausforderung, die sie bislang während dieses Change-Projektes meistern mussten?

Urban: Der Privatkundenvertrieb wurde um rund 30 Prozent der Mitarbeiterkapazitäten zurückgefahren – bei gleichzeitiger Ausweitung der Vertriebserfolge.

Was hat dieser betriebswirtschaftliche Erfolg menschlich bewirkt?

Urban: Menschlich bewirkt hat das natürlich, dass Ängste entstanden sind, den Arbeitsplatz zu verlieren. Aber es gab vonseiten unseres Vorstandes, dem Sponsor, die klare und frühzeitige Stellungnahme, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird, sondern neue Zukunftsstellen in Zukunftsthemen geschaffen werden – wie der Aufbau eines Kundenservice-Centers oder einer digitalen Beratungseinheit. Aber das setzt natürlich eine hohe Flexibilität bei den Mitarbeitern voraus. Einige sind gewandert und einige haben von selber gekündigt – ein paar wenige.

Haben Sie ein persönliches Beispiel im Kopf, wie Sie einer Person ihre Ängste nehmen konnten?

Urban: Ich habe sehr viele Einzelgespräche geführt. Ohne die geht es auch nicht. Auch unser hat sich hierfür Zeit genommen. Eines der schwierigsten Gespräche war wohl mit einer Kollegin, die praktisch vor der Haustür arbeitet und nun in die Hauptstelle in 50 Kilometer Entfernung fahren muss. Dort hat sie jetzt eine ganz andere Tätigkeit, die sie aber auch beherrscht. Diese Veränderungen zu begleiten, war schon hart. Und das kam nicht nur einmal vor, sondern öfters… Das waren auf jeden Fall große Herausforderungen.

Wer hat besonders profitiert von dieser Umstrukturierung?

Urban: Im Moment sind wir noch in der Verarbeitungsphase, also in der emotionalen Akzeptanzphase. Es hat sich aber herausgestellt, dass vor allem jüngere, hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon jetzt, nach ein paar wenigen Monaten, einen Sprung nach vorne gemacht haben – im Vertrieb wie auch in ihrer Persönlichkeit. Sie erzielen jetzt schon tolle Erfolge am Kunden. Die jüngeren, hoch motivierten Mitarbeiter sind jetzt schon die Gewinner, ja, das ist wirklich toll. Aber es sind natürlich auch ältere dabei, die meinen: „Ich bin nichts mehr wert!“. Und denen zu sagen: „Nee, es geht nur gemeinsam mit Alt und Jung!“: Also, das ist schon spannend.

Welchen Beitrag leisten die Älteren?

Urban: Absolut die Erfahrung am Kunden. Die Älteren, die wir jetzt draußen haben, sind flexibel; sie lassen sich darauf ein. Und es gibt einige Beispiele, bei denen Alt und Jung wirklich direkt zusammenarbeiten und sich wunderbar ergänzen. Beide Seiten bereichern sich gegenseitig: So bringen die Jungen den Älteren zum Beispiel das Thema Digitalisierung näher, die Erreichbarkeit der Kunden über moderne Medien. Und die Älteren sagen beispielsweise: „Aber du darfst von mir profitieren in der Gesprächsführung“.

Wer sollte sich Ihren Vortrag auf den PM-Tagen in jedem Fall anhören?

Urban: Er ist natürlich sehr branchenspezifisch. Aber es gibt ja eine Vielzahl an mittelständischen Unternehmen oder auch Banken, Sparkassen oder Raiffeisenbanken. Im Moment geht es in unserer Branche einfach darum, sich neu aufstellen – durch die geänderten Vorzeichen der Minuszinslandschaft. Von dem Vortrag profitiert deshalb vor allem die Finanzdienstleistungsbranche, im kleinen und mittleren Größenbereich der Firmen.

Kurzprofil:
Johann Urban ist seit 30 Jahren bei der Sparkasse im Landkreis Cham tätig. 2014 übernahm er als Bereichsdirektor die Verantwortung für den Bereich Mediale Unterstützung und das Kundenservice-Center (hauseigenes Call-Center). Damit betreut er die Themenfelder Neue Medien, Digitalisierung, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Medialer Vertrieb, Multikanal-Banking, Veranstaltungsmanagement, Kommunikation, Electronic-Banking und Payment. Darüber hinaus ist er seit 2017 auch verantwortlich für Change-Management.

Kommentare sind geschlossen.